Geheimauftrag Phantom
nur noch ein einziges Fragezeichen, überzogen mit einer dicken Gänsehaut.
»Ist es vernichtet?« fragte er.
Ich nickte.
»Keine Killer mehr?«
»Richtig.«
Tenero begann zu lachen, winkelte den Arm an, preßte ihn gegen die Wand und drückte seinen Kopf gegen den Ärmelstoff. »Das darf nicht wahr sein«, keuchte er. »Das ist verrückt, das ist einfach nicht zu fassen. Ich begreife es nicht.«
»Und ich auch nicht!« hauchte die Frau, die den ersten Schock überwunden hatte.
Selbst ich, der ich auf viel Erfahrung zurückblicken konnte, war überfordert. Sollte tatsächlich alles so einfach gewesen sein? War dies das Ende?
Ja, das Mordphantom existierte nicht mehr. Wie auch immer, mein Kreuz hatte es erwischt.
Ich ging auf die Rektorin zu. Sie schrak zusammen, als ich sie anfaßte.
»Kommen Sie, Madame, ich bringe Sie zu Ihrem Zimmer. Sie müssen sich die Splitter aus ihrem Gesicht ziehen, das ist besser.«
»Ja, ja…«
Wie ein kleines Kind ging sie neben mir her. Ich hatte sie an die Hand genommen. Ein sprachloser Leutnant Tenero blieb zurück. In den Privaträumen der Schulleiterin begleitete ich sie ins Bad. Wir fanden Pflaster, auch kleine Pinzetten. Ich half ihr dabei, die Splitter herauszuziehen. Danach wollte sie sich waschen. Ich sollte mich in der Zwischenzeit um die Schülerinnen kümmern.
Die Mädchen konnten kaum sprechen. Sie hatten minutenlang eine magische Hölle erlebt. Einige von ihnen bluteten aus kleinen Wunden. Schwerer verletzt war glücklicherweise niemand.
Auch Angel fand ich. Sie lehnte in der offenen Zimmertür und blickte mich aus großen Augen an. Mein Schützling hatte nichts mitbekommen. Kein Splitter war in ihre glatte Gesichtshaut gedrungen.
»Ist es denn vorbei?« erkundigte sie sich mit leiser Stimme und sehr skeptisch.
»Ja, es ist vorbei.«
»Haben Sie den Killer gefangen?«
Ich lächelte. »Gefangen ist gut. Es ist mir gelungen, ihn zu vernichten, Angel.«
»Dann brauchen wir keine Furcht mehr zu haben.«
»So ist es.«
»Danke«, sagte sie, drehte sich um und starrte durch die Fensterscheibe, die in ihrem Zimmer noch heil geblieben war. Die Mädchen halfen sich gegenseitig beim Verbinden und Verpflastern der kleinen Wunden.
Mein Weg führte mich wieder zu Madame Sousa. Sie war nicht allein. Leutnant Tenero hatte sich zu ihr gesellt. Er saß, sie lag auf dem Bett und streckte mir die auf dem Handrücken verpflasterte Rechte entgegen, um sich bei mir zu bedanken.
»Sie haben uns von einem verdammten Fluch befreit, von einem Mörder, wie es ihn nicht geben durfte. Dafür möchte ich Ihnen danken.«
»Schon okay.«
Tenero stierte mich an. »Können Sie mir das alles auch erklären, Sinclair?«
»Eine Erklärung?« Ich runzelte die Stirn, hob die Augenbrauen und starrte ins Leere. »Nein, eine Erklärung kann ich Ihnen auch nicht geben, so leid es mir tut.«
Tenero stöhnte auf. »Dann wäre das der erste Fall in meiner Laufbahn, der gelöst worden ist, ohne daß ich richtig einen Hintergrund erkannt habe.« Er hob hilflos die Schultern. »Ich muß einen Bericht schreiben. Können Sie mir erklären, wie ich das meinen Vorgesetzten beibringen soll? Ich weiß mir keinen Rat.«
»Ist das denn überhaupt wichtig?« meldete sich Madame Sousa. »Es zählt doch eigentlich nur, daß wir den Killerhaben, daß es ihn nicht mehr gibt, daß keiner von uns in Gefahr schwebt. Vier Tote sind genug, finde ich.«
»Da haben Sie recht«, stimmte Tenero zu. »Nur — wer garantiert mir, daß so etwas nicht noch einmal passiert. Wir haben das Mordphantom gesehen, wir haben auch ein verfluchtes Monster im Lago gehabt. Wer sagt mir denn, daß nicht noch weitere Kreaturen dieser höllischen Art irgendwo herumlaufen?«
Die Rektorin wußte darauf keine Antwort. Ich mußte dem Kollegen leider recht geben. Wir hatten zwar die Wirkung ausgeschaltet, aber wo befand sich die Ursache? Ich wollte einfach nicht daran glauben, daß diese Mörder aus dem Nichts entstanden, wie manchmal plötzlich Regentropfen fallen, auch wenn die Sonne scheint.
Bei mir war zumindest ein verdammt schlechter Geschmack zurückgeblieben.
Tenero grinste schief. »Sie denken ebenso wie ich, nicht wahr, Mr. Sinclair?«
»Ja.«
»Was kann man tun?«
»Nichts mehr. Uns sind die Hände gebunden. Wenigstens mir. Ich werde in einigen Stunden unterwegs sein…«
»… aber sie wollten zurückkehren. Ist es bei diesem Plan geblieben?«
»Nein, ich kann nichts mehr machen. Es ist unmöglich, daß ich warte, bis
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