Geheimbünde: Freimaurer und Illuminaten, Opus Dei und Schwarze Hand (German Edition)
oder so zu behauen, dass er exakt in die gewaltigen Bögen eines Kirchengewölbes passt.
An der Spitze dieser Bauexperten: die «master masons», die Maurermeister, Bauingenieure und Architekten zugleich. «Das war eine intellektuelle Elite, die sogar Zugang zu den adligen Höfen hatte», so Füssel. Ein Baumeister sorgt nicht nur für gute Kontakte zu den Auftraggebern, sondern achtet auch auf die Arbeitsleistung seiner Männer. Die Handwerker halten zusammen, und so umgibt diese Verbände, Bauhütten genannt, eine exklusive Aura: Sie sorgen sichum ihre Kollegen und deren Familien. Die Meister müssen viel reisen, ihr Netzwerk ist international.
Doch nach einer langen Zeit der Blüte geraten die Bauhütten im 16. Jahrhundert in eine Krise. Mit der Spaltung der christlichen Kirche durch die Reformation und den sich daraus ergebenden Glaubenskriegen in Europa bleiben die Bauaufträge aus. Die immer mächtigeren Landesherren und die Zünfte in den Städten wollen die selbstbewussten Vereinigungen mit ihren Sonderrechten nicht mehr dulden. Händeringend suchen die Bauhütten nach neuen Verbündeten …
Kirche, Kneipe, Konspiration: Die Geburt der modernen Freimaurerei
In der Luft liegt der herbe Geruch von Bier, Branntwein, deftigem Essen und Männerschweiß. Die erste Großloge der Welt formiert sich im schummrigen Kerzenlicht des Gasthauses «Zur Gans und zum Bratrost» im Herzen Londons. Man schreibt das Jahr 1717. Die englische Hauptstadt ist auf dem Weg, die bevölkerungsreichste Metropole der Erde zu werden, das Zentrum des bald schon weltumspannenden britischen Empires.
Dass die erste Großloge der Welt, die «Premier Grand Lodge of England», im «Goose and Gridiron» gegründet wird, liegt nahe. Das Pub liegt im Schatten der St. Paul’s Cathedral, die nach dem großen Brand von London 1666 fast wiederhergestellt ist – viel Arbeit für die Steinmetze, die sich im Pub nahe der Baustelle gerne mit einem Humpen Ale den Staub aus den Kehlen spülen. Hier stößt das neue aufstrebende Bürgertum mit den seit Jahrhunderten bestehenden Steinmetzbruderschaften auf die Zukunft an. Die Bauhütten haben durch ihre Exklusivität einen legendären Ruf. Sie sollen schon zu Zeiten König Salomos existiert haben, raunen sich die Bürger zu. Esheißt, Steinmetze begrüßten sich mit Handzeichen und verständigten sich anhand geheimer Symbole, damit ihr uraltes Wissen nicht in falsche Hände gerät.
Doch nicht nur das vermeintlich mysteriöse Wissen der Bauleute übt auf die bürgerlichen Gentlemen eine ungeheure Faszination aus. Die Bauhütten verkörpern etwas, das viele Bürger gerne in der gesamten Gesellschaft als Grundwerte etablieren wollen: Gleichheit und Freiheit. Die Steinmetze sind eine Gemeinschaft, in der allein Leistung zählt, man wird nach dem bemessen, was man kann – und nicht daran, ob man einen Adelstitel trägt oder in der Gunst des Königshauses steht.
Das Interesse der Bürger wird erwidert. Denn den «Lodges» fehlt es an Unterstützern. Der Wiederaufbau Londons nach dem verheerenden Großbrand im Jahr 1666 geht zu Ende. Es fehlt an Folgeaufträgen. Wozu soll es noch Bauhütten geben, wenn es nichts mehr zu bauen gibt? Darum entschließen sich die Bauhütten, Bürger als «angenommene Maurer» aufzunehmen. Auf diese Weise halten die Steinmetzbruderschaften ihre gesellschaftliche Stellung, obwohl ihre wirtschaftliche Bedeutung abnimmt. Die Folge: Die «symbolische Freimaurerei» wird immer bedeutender. Sie glaubt, in der Freimaurerei ein Welterklärungssystem entdeckt zu haben. Der «raue Stein» symbolisiert nun den Menschen, die Kathedrale die Gesellschaft, in deren «Gewölbe» der Mensch, «feinbehauen», seinen Platz findet. Genau wie eine Kathedrale nur durch exakt angewandtes Wissen errichtet werden kann, so soll auch die Gesellschaft ein Reich des Wissens sein und nicht des bloßen Glaubens und Gehorchens.
Diese philosophische Überhöhung der Steinmetzkunst trifft den Zeitgeist. Bald schon sind in den Logen mehr Nicht-Maurer als Handwerker zu finden, es entstehen sogar neue, in denen nur noch angenommene Maurer tätig sind. Anstelle der harten Arbeit auf den Baustellen steht während der Zusammenkünfte nun der Mensch selbst zur Diskussion.
Wahrscheinlich um eine unkontrollierte Ausbreitung der Freimaurerei zu verhindern, gründen die vier Logen in jenem Jahr 1717im «Goose und Gridiron» die erste Großloge der Welt. 1723 gibt man sich mit den «Old Charges» . («Alte
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