Geheimbünde: Freimaurer und Illuminaten, Opus Dei und Schwarze Hand (German Edition)
Pflichten») eine Art Verfassung: Eckpfeiler ist unter anderem das Verbot, über Politik und Religion zu reden. Aber auch die Keimzellen anti-freimaurerischer Verschwörungstheorien finden sich darin: die Aufforderung zur absoluten Geheimhaltung und zur unbedingten Solidarität unter Logenbrüdern: «Mit Worten und in eurem Auftreten sollt ihr vorsichtig sein, sodass auch der scharfsinnigste Fremde nicht ausfindig machen kann, was sich zur Weitergabe nicht eignet (…).» Im Notfall soll ein Logenmitglied «einen armen Bruder (…) jedem anderen armen Menschen, der in der gleichen Lage ist, vorziehen».
Was nach 1717 passiert, wird jedoch alle Erwartungen der englischen Brüder überstiegen haben: Es kommt zu einer «explosionsartigen» Ausbreitung freimaurerischer Ideen. Binnen weniger Jahre gründen Bürger, zu denen sich bald auch interessierte Adlige gesellen, Dutzende neue Logen innerhalb Englands. Die irische Großloge entsteht 1730, die schottische 1736. 1735 vereinigen sich die Logen Frankreichs zu einer Großloge. Und auch im Norden Europas organisieren sich Freimaurer. 1737 wird die «Loge d’Hambourg» gegründet, die erste Freimaurervereinigung auf deutschem Boden. Sie wird sich bald in «Absalom zu den drei Nesseln» umbenennen – und ein äußerst prominentes Mitglied in ihre Reihen aufnehmen …
Freimaurerei im Jahrhundert der Aufklärung
Nicht einmal zwei Jahre nach Gründung der «Loge d’Hambourg» bekommt deren Vorsitzender, der «Meister vom Stuhl» Baron Oberg, die Mitteilung überbracht, dass ein «illustrer Unbekannter» Freimaurer zu werden wünsche. Doch der mysteriöse Kandidat stellt eine Bedingung: Er will nicht in der Hansestadt, sondern aus gewichtigenGründen in Braunschweig in die Loge aufgenommen werden. Die Loge lässt sich darauf ein. Als Treffpunkt ist der Gasthof «Zur Stadt Salzdahlum» in Braunschweig abgemacht. Man nimmt dort Zimmer. Doch zum Schlafen kommen die Freimaurer nicht. Die Legende erzählt, dass ein Mitglied abbeordert wird, einen Edelmann unter den Tisch zu trinken, der neben den Räumen der Freimaurer Quartier bezogen hat. Der Adlige soll nicht mitbekommen, was seine Zimmernachbarn treiben. Die anderen Freimaurer kümmern sich um die Vorbereitungen für das Aufnahmeritual. Es beginnt um Mitternacht. Die Aufregung ist vermutlich groß. Denn das neue Mitglied hat sich als einer der wichtigsten Adeligen Deutschlands entpuppt. Es ist Kronprinz Friedrich von Preußen. Er wird als Friedrich der Große in die Geschichte eingehen.
Was für ein Fang für die noch junge Bewegung!
Doch warum treibt es einen hohen Adeligen in diesen bürgerlichen Geheimbund, der bereits zu jener Zeit den Mächtigen Europas verdächtig ist? Der Grund ist ein ganz besonderer Wind, der damals auch durch die deutschen Staaten weht: Nicht nur im Bürgertum, auch im Adel werden die Ideen der Aufklärung diskutiert. Sie sorgen für erhebliche Unruhe, denn diese neue europäische Philosophie fordert die Abkehr vom Prinzip der totalen Bevormundung durch Krone und Altar. Stattdessen sollen die Menschen lernen, selbständig zu denken, zu handeln und sich zu entwickeln.
Der Kronprinz sympathisiert mit der heraufziehenden Aufklärung. Sie verspricht ihm Ausbruch aus dem preußischen Kasernenmuff. Friedrich ist begeistert, dass er in den Logen auf Gleichgesinnte trifft. Praktischerweise sind Friedrichs neue Brüder auch zur Verschwiegenheit verpflichtet. Denn Friedrichs Vater, Preußens frommer Soldatenkönig Friedrich Wilhelm I., beobachtet dieses Aufbegehren Friedrichs argwöhnisch.
Kronprinz Friedrich erlebt im Gasthof «Zur Stadt Salzdahlum» entsprechend seinem politischen Rang in einer einzigen Nacht einen rasanten Aufstieg durch alle drei Hierarchiestufen: Lehrling, Geselle, Meister. Unklar ist, wie sehr die Ideale der Freimaurer Einfluss auf die spätere Regentschaft Friedrichs nehmen. Nicht einmal über das Ausmaß seiner freimaurerischen Tätigkeit besteht Klarheit. Aber er begründet zumindest eine Tradition: Er und seine Nachfolger protegieren die preußischen Logen – was den im Großen und Ganzen staatstreuen und konservativen Charakter der deutschen Freimaurerei erklärt, der auch nach Gründung des deutschen Kaiserreichs fortbesteht. Die deutschen Kaiser Wilhelm I. und Friedrich III. sind ebenfalls Logenmitglieder. Erst der dritte Hohenzollern-Herrscher, Wilhelm II., wird mit dieser Tradition brechen – und nach seiner Absetzung 1918 wie so viele in Deutschland
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