Geheimbünde: Freimaurer und Illuminaten, Opus Dei und Schwarze Hand (German Edition)
entzückt. Was ihn jedoch sicherlich irritiert hätte: Auf Tausenden Seiten hält Newton seine Studien zu Bibelversen fest und kommt darin zu dem Schluss, dass Gott den Termin des Weltuntergangs auf das Jahr 2060 gelegt hat. Vermutlich aus Imagegründen hält Newton diese Erkenntnis jedoch ebenso geheim wie die Ergebnisse seiner alchemistischen Forschungen.
Zwei ungleiche Brüder
Die Geschichte der Geheimbünde ist zu einem großen Teil eine Geschichte der Legenden. Sie säumen auch die Spur der Rosenkreuzer. Oft jedoch führen sie in die Irre. Und so mag an folgender Geschichte nicht mehr wahr sein als die Tatsache, dass der 30. Januar 1649 in London wirklich bitterkalt ist und an jenem Tag ein Scharfrichter denKopf vom Rumpf des englischen Königs Karl I. trennt. Das ist ein in der Geschichte Europas bis dahin beispielloser Vorgang. Denn der König fällt nicht irgendeiner Palastintrige zum Opfer. Er wird wegen Hochverrates nach einem Gerichtsurteil im Namen des Volkes hingerichtet.
Als der Henker sein blutiges Amt zu Ende gebracht hat, ruft er: «Seht, das ist der Kopf des Verräters», worauf ein entsetztes Aufstöhnen durch die Menschenmenge geht, die der Hinrichtung beiwohnt. Empfindet das Volk die Strafe für den blutigen Bürgerkrieg, den der König verursacht hat, plötzlich als zu hart? Wenn es nun nach der rosenkreuzerischen Legende geht, ist das Entsetzen der Menge über das blutige Ende ihres Königs unnötig gewesen. Denn demnach verliert an jenem Januartag nicht der König seinen Kopf, sondern ein königstreuer Doppelgänger: das Gründungsmitglied der Royal Society, Elias Ashmole. Karl I. hingegen widmet sich den Rest seines Lebens den Studien dieses aufopferungsvollen Forschers, Juristen und Alchemisten.
Abseits dieser abstrusen Geschichte ist Ashmole in der Erforschung der Geschichte der Geheimbünde für eine echte Kontroverse gut. In der Literatur über die Rosenkreuzer wird Ashmole gerne als Beweis dafür herangezogen, dass die Rosenkreuzer die Väter der Freimaurerei sind. Denn Ashmole gehört zu jenem Kreis englischer Gelehrter, die das Erbe der Rosenkreuzer bewahren, als diese auf dem Kontinent im Chaos des Dreißigjährigen Krieges fast restlos untergehen. Dazu gründet Ashmole mit Gleichgesinnten das «Haus Salomonis». Was das Ganze pikant macht: Die Versammlungsräume befinden sich in der Londoner Mason’s Hall, dem Haus der damals noch hauptsächlich operativ tätigen Maurer Londons. Ashmole wird 1646 als Nichthandwerker in diese Gilde aufgenommen. Ein Vorgang, der damals in England, anders als in Schottland, noch relativ ungewöhnlich ist.
Die Theorie, wonach die Rosenkreuzer die Gründung der Freimaurerei im 17. Jahrhundert in die Wege leiten, gilt inzwischen jedoch als widerlegt. Denn zu unterschiedlich sind beide Geheimbünde:ein «Bund zur ethischen Vervollkommnung des einzelnen Individuums» ist der eine, der andere hat an einer radikalen Reform der Wissenschaft, des Glaubens und der Gesellschaft Interesse. Warum sollen die Rosenkreuzer einen so vollkommen anders gelagerten Geheimbund ins Leben rufen?
Neueste Forschungsergebnisse zeigen, dass in der Geschichte der Geheimbünde Doppelmitgliedschaften nichts Ungewöhnliches sind – auch nicht die Mitgliedschaft in zwei so unterschiedlichen Gesellschaften wie den Freimaurern und den Rosenkreuzern. Dies gilt übrigens bis in die Gegenwart: Regelmäßig versammelt sich eine rosenkreuzerische Vereinigung in einem Hamburger Logenhaus, ohne dass dies zum Eklat führt.
Aber die Rolle der Rosenkreuzer in der Geschichte der europäischen Geheimbünde beschränkt sich nicht nur darauf, Inspirationsquelle für Alchemisten und Vorreiter der modernen Wissenschaften zu sein. 150 Jahre nachdem der Dreißigjährige Krieg die rosenkreuzerische Bewegung in Deutschland mit Flamme und Schwert ausgemerzt zu haben scheint, taucht sie in einer dramatischen Phase der europäischen Geschichte überraschend wieder auf: am Vorabend jener Kriege, mit denen Frankreichs Revolutionsheere die politische Landkarte Europas für immer verändern …
Preußens Krone im Bann der Rosenkreuzer
Was sich in der Zeit zwischen dem 17. Juli 1795 und dem 16. November 1797 im Park von Schloss Marquardt im Havelland abspielt, ist noch 90 Jahre später so präsent, dass Theodor Fontane die Ereignisse von damals in seinen «Wanderungen durch die Mark Brandenburg» wiedergibt:
«Zwischen (…) 17. Juli 1795 und dem 16. November 1797 lagen (…) zwei
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