Geheimbünde: Freimaurer und Illuminaten, Opus Dei und Schwarze Hand (German Edition)
Vorstellungen, die die Inquisitoren ihren Opfern unterstellten und durch erzwungene Geständnisse real werden ließen.
Auch im Templerprozess erfuhren die Vorwürfe eine immer weitergehende Konkretisierung, die Kataloge von Vorwürfen und Fragen wurden immer länger. Ein Beispiel bieten die in 85 Paragraphen unterteilten 15 Artikel, die bei der Anhörung von 69 Templern durch Aubert Aicelin, den Bischof von Clermont, im Juni 1309 Anwendung fanden. So wird die Verleugnung Christi auch durch die Verleugnung Gottes und der Heiligen ergänzt, die Kreuzesschändung durch zusätzliches Treten oder Urinieren auf das Kreuz selbst nach dem Eintritt in den Orden. Auch die Sakramente seien abgelehnt worden, und neben den drei Küssen auf Gesäß, Nabel und Mund hätte es solche auf den Penis gegeben. Im gleichgeschlechtlichen Verkehr hätten die Brüder sowohl aktive wie passive Rollen übernommen; Götzenbilder mit drei Köpfen seien als Götter und Erlöser verehrt worden.
Einen besonderen Aspekt bildet schließlich der Vorwurf, die Aufnahme von Brüdern sei eine geheime Zeremonie gewesen, der nur die Brüder des Ordens beigewohnt hätten. Dazu passt die Unterstellung, die Brüder hätten untereinander nicht über die Rituale gesprochen, sie hätten nur (Priester-)Brüdern des Ordens beichten sollen und sie hätten geglaubt, nur der Meister des Ordens könnte ihnen Absolution erteilen.
Die Heimlichkeit der Rituale ist auch ein Kennzeichen häretischer Bewegungen, und im Fall der Templer hat sich auf der Grundlage der Vorwürfe aus dem Prozess die Vorstellung entwickelt, die Brüder hätten ein Geheimnis gehütet oder seien sogar aufgrund diesesGeheimnisses verfolgt worden; teilweise hat man bei ihnen sogar ein konspiratives Ziel ausgemacht, was den Templerorden zu einer Art Geheimgesellschaft machen würde. Die Geschichte der Templer und der mit ihnen in enger Verbindung stehenden anderen geistlichen Ritterorden spielte jedoch – bei aller im Krieg notwendigen und auch theologisch, später durch Thomas von Aquin, gerechtfertigten Geheimhaltung – durchaus im Licht der zeitgenössischen Öffentlichkeit.
Templer und Kleriker bei homosexuellen Handlungen. Aus: Jacques de Longuyon, «Les voeux du Paon», ca. 1350, Ms. Pierpont Morgan Library, New York
Einfache Anfänge: Die Kreuzzüge
Die geistlichen Ritterorden und mit ihnen die Templer sind gewissermaßen Kinder der Kreuzzugsbewegung. Während die frühen Christen vielfach jeder Gewaltanwendung fernstanden und den Soldatenberuf ablehnten, stellte sich seit der Wandlung des Christentums zur «Staatsreligion» des Römischen Reiches die Frage, wie man eigenen Besitz, die eigene Person, Kultur und Religion verteidigen könnte. Vor diesem Hintergrund formulierte der Kirchenvater Augustinus um 400 auf antiker Grundlage die Lehre vom «gerechten Krieg». Dieser bedarf eines gerechten Grunds, einer rechtmäßigen Autorität und der rechten Einstellung, die nicht auf Beute, sondern auf Wiederherstellung eines gerechten Zustands abzielt. Diese Vorstellungen gewannen seit dem Hochmittelalter wieder an Bedeutung; Kriegführung bedurfte zumindest in der theoretischenAuseinandersetzung immer einer Rechtfertigung. Das galt auch für die Kämpfe gegen nichtchristliche Gegner, die im 10. und 11. Jahrhundert eine neue Intensität erreichten. Neben den Wikingern im Norden und den Ungarn im Osten waren es vor allem Muslime, die christliche Gebiete bedrohten. Spanien war seit 711 weitgehend erobert, auch Sizilien und Sardinien standen zeitweilig unter muslimischer Herrschaft, dazu kamen Überfälle auf Südfrankreich und Italien, nicht zuletzt auf Rom. Wegen der Abwesenheit der Kaiser organisierten die Päpste mehrfach die Abwehr und nahmen weltliche Krieger in ihren Dienst.
Auf der Synode von Clermont reagierte Urban II. 1095 schließlich auf die Bitte Kaiser Alexios’ I. um Truppen mit dem Aufruf zum Ersten Kreuzzug. Der Kampf gegen die «Sarazenen» wurde als Verteidigungskrieg verstanden. Er sollte die orthodoxen Christen unterstützen sowie – allerdings erst in einem zweiten Schritt der Entwicklung – die verlorenen heiligen Stätten für das Christentum zurückgewinnen und von der «Tyrannei» der Muslime befreien. Die Kreuzfahrer, die sich in älterer Tradition auch als Pilger verstanden, erhielten für die Teilnahme geistlichen Lohn, den Erlass ihrer Sündenstrafen. Bezeichnenderweise erfuhr der Begriff der «Ritterschaft Christi» . («militia Christi») in dieser
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