Geheimbünde: Freimaurer und Illuminaten, Opus Dei und Schwarze Hand (German Edition)
scire.» Höchstes Wissen ist, nichts zu wissen.
Kapitel 8
Die Templer
Zwischen Öffentlichkeit und Geheimhaltung
«Eine bittere Sache, eine beklagenswerte Sache, eine Sache, über die man nur mit Schrecken nachdenken und hören kann, ein schreckliches Verbrechen, ein übermäßiges Übel, eine abscheuliche Tat, eine hassenswerte Schande, eine vollständig unmenschliche Angelegenheit, in der Tat völlig fern von jeder Menschlichkeit, ist uns, bestätigt von vielen glaubwürdigen Leuten, kürzlich zu Ohren gekommen, zu unserem nicht kleinen Erstaunen und heftigem Schrecken.» Mit diesen Worten beginnt König Philipp IV. von Frankreich das Schreiben an seine Amtsträger, mit dem er ein hartes Vorgehen gegen die Mitglieder des geistlichen Ritterordens der Templer in Frankreich anordnet. In der Tat sollten die Brüder ungeheuerliche Verbrechen begangen und sich als Wölfe im Schafspelz erwiesen haben. So würden sie beim Eintritt in den Orden mit dem Bild des Erlösers konfrontiert, den sie dreimal verleugnen und seinem Abbild dreimal ins Gesicht speien müssten. Dann hätten sie ihre weltliche Kleidung ablegen müssen, und der aufnehmende Bruder hätte sie auf das Gesäß, den Nabel und den Mund geküsst. Durch ihr Gelübde seien sie verpflichtet, miteinander Geschlechtsverkehr zu haben, eine fürchterliche Sünde, und sie würden nicht einmal davor zurückschrecken, Götzenbilder anzubeten. Weil sich diese Vorwürfe durch glaubwürdige Zeugen immer mehr erhärtet hätten, habe der König in seiner Verantwortung, die Freiheit der Kirche und des Glaubens zu verteidigen, ein Ermittlungsverfahren unter der Leitung des Bruders Guillaumede Paris, des Inquisitors für Nordfrankreich und königlichen Beichtvaters, eröffnet. Die Vorwürfe wurden zugleich in einen Fragenkatalog umgesetzt, den die Brüder zu beantworten hatten.
Die Al-Aksa-Moschee in Jerusalem: das Zentrum der «Ritterschaft vom Tempel», der «militia Templis Salomonis»
Dieses Schreiben Philipps IV. eröffnete den wohl spektakulärsten Prozess der mittelalterlichen Geschichte. Obwohl der Templerorden allein dem Papst und der geistlichen Gerichtsbarkeit unterstand, ließ der König am 13. Oktober 1307 die französischen Ordenshäuser durch seine Amtsträger besetzen und die völlig überraschten Brüder inhaftieren, unter ihnen den in Frankreich anwesenden Meister Jacques de Molay; nur wenige konnten fliehen. Damit begann ein langwieriges, auch durch die rechtlichen Unklarheiten geprägtes Verfahren. Die Inhaftierten wurden intensiv verhört und dabei nach mittelalterlichem Rechtsverständnis der Folter unterworfen. Eine Verurteilung setzte ein Geständnis voraus. Waren die Angeklagten nicht geständig, setzte man sie verschiedenen Stufen der Folterung aus, die ein Geständnis erzwingen sollten. Dieses war aber erst gültig, wenn es an einem weiteren Tag vor dem Richter ohne Anwendung der Folter wiederholt wurde. Wie wir heute wissen, wirkten die Folterqualen auch nach Tagen noch psychisch nach, sodass meist rechtsgültige Geständnisse zustande kamen. Vielen dürfte erst später bewusst geworden sein, was sie da gestanden hatten. Wer aber sein Geständnis widerrief, dem drohte die Einstufung als «relapsus», als rückfälliger Ketzer; und dies bedeutete das Todesurteil und dessen sofortige Vollstreckung – durch Verbrennung. So kann es nicht verwundern, dass viele sehr bald die ihnen zur Last gelegten Vergehen gestanden und später nur sehr zögerlich den Versuch unternahmen, die Geständnisse zu widerrufen.
Die Anklagen stützten sich offenbar auf die Vorwürfe, die ein gewisser Esquieu de Floyran schon 1305 bei König Jakob II. von Aragón vorgebracht hatte. Jakob hatte ihm aber keinen Glauben schenken wollen, woraufhin sich Esquieu nach Frankreich wandte.
Esquieus Vorwürfe entstammten einem Arsenal von stereotypen Klagen gegen Ketzer, das sich seit den 1230er Jahren aufgebaut hatte. Aufbauend auf den Berichten des deutschen Dominikaner-InquisitorsKonrad von Marburg, hatte Papst Gregor IX. in der Bulle «Vox in Rama» im Juni 1233 Rituale von Häretikern beschrieben, wie sie ähnlich dann auch im Prozess gegen die Templer relevant wurden: bei der Aufnahme Küsse auf Hinterteil und Maul (hier eines Frosches bzw. Katers), die Anbetung eines Tieres, Unzucht und gleichgeschlechtlicher sexueller Verkehr, dazu die Schändung der Hostie, die den Leib des Herrn darstellt. Daraus entwickelten sich im Laufe der Zeit immer weitergehende
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