Geheimcode F
Mitten hinein ins schönste Vergnügen platzte Madame Duffys Vorschlag wie eine Bombe: »Und jetzt schlage ich vor, daß unsere deutschen Gäste am Wochenende einmal für uns was typisch Deutsches kochen!« Applaus. »Großartige Idee. Wie wär’s mit Sauerbraten?« Dora ging im Geiste schon das Rezept und die Zutaten durch. Noch mehr Beifall. Dann plötzlich Ricas Aufschrei: »Nein! Das könnt ihr mit mir nicht machen!« Sie sprang auf und rannte wild schluchzend aus dem Zimmer.
»Sie haben gesagt, Sie seien Tierarzt?« Alain strich seit einer Viertelstunde um den heißen Brei. Vater Ruhland nickte. »Das hast du mich schon einmal gefragt...«
»Ja, jetzt brauchen wir Sie aber wirklich...« Alain hätte gerne auf diese Eröffnung verzichtet, aber die Tiere brauchten jemanden, der etwas von Tierhaltung verstand. »Das heißt, nicht wir, sondern... unsere Tiere...« Er suchte nach Worten. »Vielleicht hat Ihnen Tobias...«
»Mein Sohn? Nein, der hat nicht, ich habe keine Ahnung, worum es geht!«
»Die Tiere... sind nicht krank... noch nicht... Wir wissen aber nicht...«
»Ihr habt viele...?«
»Zwanzig.« Alain überlegte. »Es sind Findelkinder, lauter gestohlene Tiere, für die wir sorgen.«
»So, so. Dann muß ich sehen, wie ich zu ein paar wichtigen Medikamenten komme, ich schleppe schließlich nicht meinen ganzen Arzneiladen im Urlaub mit.« Vater überlegte. Ansehen mußte er sie ja in jedem Fall, das war seine tierärztliche Pflicht. Solche Tiere waren oft in entsetzlichem Zustand. Und was Tobias wieder mit der Sache zu tun hatte, würde auch noch zu klären sein. Dabei hatte er geglaubt, daß auch ein Tierarzt mal Urlaub machen konnte, die Praxis zusperren, und... Es war schon verrückt. Der eigene Hund war weg, dafür durfte er Onkel Doktor für fremde Viecher spielen. »Was für Tiere sind das? Hunde?«
»Einige, aber auch Katzen und Meerschweinchen.«
»Kinder, Kinder, da werdet ihr manches zu erklären haben«, meinte Vater kopfschüttelnd. »Ich seh sie mir am Nachmittag an. Vorher muß ich aber noch in die Apotheke, wenn es hier überhaupt so etwas gibt.«
Rica lehnte neben Dora an der Tischtennisplatte. Ans Spielen dachte jedoch keiner, eher ans Weiterstreiten. Nach Alains Eröffnung, daß Vaters tierärztliche Hilfe gebraucht wurde, war es jetzt überhaupt kein Thema mehr, abzureisen. Zumindest nicht sofort. Rica spürte genau, daß für sie wieder einmal alles schief lief. »Also«, begann Vater, »ich hab’s mir überlegt. Wir müssen leider noch hierbleiben.« Hatte sie’s doch geahnt. Und, bitte sehr, was war der Grund für diesen Aufschub? Rica preßte die Lippen aufeinander. »Sei vernünftig, Kind. Es ist ja nicht für die Ewigkeit«, erklärte Dora beschwichtigend. »Opa bleibt hier. Er wartet auf Tarzan und will beim Hausbau helfen. Ich habe versprochen, rheinischen Sauerbraten zu machen, und morgen kommt die Mutter von Alain und Françoise, die wir doch gerne kennenlernen wollten. Und Papa wird auch gebraucht...«
»Eben. Genau das ist es!« ereiferte sich Rica. »Ihr werdet alle gebraucht. Tobias hockt den ganzen Tag im Keller. Gut. Und was mache ich? Entweder plansche ich in trüben Gewässern und tu so, als ob ich im Meer tauche, oder wir spielen Tischtennis, wobei ich kein einziges Mal gewonnen habe. Das ist doch nicht das Leben! Toll! Super! Pfeif ich drauf!« Tobias hatte seine Schwester noch nie so verbittert gesehen. Rica war wirklich dem Zusammenbruch nahe. Hilfreich meinte er: »Die veranstalten hier bald ein Dorffest. Vielleicht kannst du da singen, wär ’ doch eine tolle Sache...« Rica war nicht seiner Meinung. Sie schüttelte nur den Kopf. »Ich versteh euch nicht, wir wollten doch ans Meer...«
»In der großen Arena von Arles gibt’s demnächst ein Rockfestival. Ich kann dir auch die Disco zeigen.« Tobias zog sämtliche Register.
»Danke, Brüderchen, den Weg finde ich allein.« Mit diesen Worten und stolz erhobenem Kopf ließ Rica die restliche Familie mitten auf dem Vorplatz stehen. Dora seufzte und spürte leisen Kopfschmerz aufsteigen, Vater stieß die Luft durch die geschlossenen Zähne und mußte dringend »was erledigen«, und Tobias zog sich schulterzuckend in den Keller zurück.
Der Ritt zu zweit auf einem Pferd machte Vater Ruhland zu schaffen. Abgesehen davon, daß er reitend auch solo keine gute Figur machte, war ihm dieses Schaukeln in luftiger Höhe auch immer unheimlich gewesen. Zum Glück hatte er als Tierarzt in der Stadt eher mit
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