Geheimcode F
einfach abzumurksen. Aber irgendwann würde sie schon noch durch ihre Gasse kommen, später...
Vater hatte wieder einmal stundenlang im Trüben gefischt. Seine übertechnisierte Ausrüstung schien ihm hier eher im Wege zu sein als besonders hilfreich. Er angelte Dosen, Schuhe, ja, sogar einen alten Haarfön, aber nicht einen einzigen Fisch. Dabei hatte er Dora und den Kindern einen besonderen Leckerbissen für den Mittagstisch versprochen. Nichts. So, als wären alle Fische dieses Flusses plötzlich ausgewandert, ausgestorben... ihm zum Trotz. Der Verzweiflung nahe, stapfte er mit seinen schenkelhohen Gummistiefeln an Land. Und dort fiel ihm auch gleich die Lösung seines Problems ein.
»Was ist denn das für ein toller Bursche?« fragte Vater Ruhland interessiert. Der Fischverkäufer verstand ihn schlecht. »Guter Fisch, ganz frisch!« Vater nickte. Mit seinem Schulfranzösisch war dem nicht beizukommen. »Und dieser hier, woher kommt der?« Die Frau des Fischhändlers mischte sich jetzt auch ins Gespräch: »Fragen Sie ihn doch, Monsieur!« Aha, heißer Tip . Für diese Art Humor hatte er heute keinen Sinn. »Und der?« Ein Schwall französischer Worte ergoß sich über ihn. Ach, war ja auch egal. Man mußte als Fischer schließlich nicht jeden gefangenen Fisch beim Namen nennen können. »Packen Sie ihn ein, bitte!« Ein schwerer Bursche, aber das mußte er auch sein, bei so vielen hungrigen Mäulern. Vater lächelte. Da hatte er einen guten Fang gemacht. Der Fischhändler schüttete noch eine Menge Eis dazu. »Damit er frisch bleibt, es wird heiß heute!« Verdammt, daran hatte er gar nicht gedacht. Den ganzen Rückweg zur Maison Duffy in der ärgsten Mittagshitze, ohne fahrbaren Untersatz und ohne Sonnenhut? Das Eis würde schmelzen, der Fisch zu stinken beginnen, und ihn würde der Schlag treffen. Prächtige Aussichten... In diesem Moment bog ein Taxi um die Ecke und blieb vor dem nahen Bistro stehen. Vater erreichte die Taxilenkerin gerade, als sie sich zu einem Café au lait setzte und die Zeitung lesen wollte. »Madame...« Sie blickte unwillig auf. »Kann ich... Ihr Taxi haben?«
»En quelques minutes !«
»Ach ja... in einigen Minuten, gut...« Er stand unschlüssig mit seinem Fischernetz herum, aus dem es langsam, aber stetig auf seine Füße tropfte.
Madame hatte dann doch ein Einsehen. Kurz darauf saß er im Wagen, den Fisch mußte er aufgrund ihrer heftigen Proteste aus dem Autofenster halten, wo ihn wenigstens der Fahrtwind kühlte.
Im Landhaus angekommen, machte sich Vater mit schwungvollem Schritt — eine Beute wie diese konnte sich schließlich sehen lassen — gleich zur Küche auf. »Dora!« Madame Duffy trat auf die Schwelle: »Hallo, Monsieur!« Der warf sich gleich einmal stolz in die Brust. »Sehen Sie her!«
»Oh, da ist Ihnen doch noch einer ins Netz gegangen...«
»Toller Bursche, was?«
»O ja, und wo haben Sie den gefangen?«
»Na, in der Ardeche ...« Vater entschuldigte sich in Gedanken für diese Notlüge. »Da ist er aber weit für Sie geschwommen... Man kennt ihn sonst nur im Mittelmeer!« Madame Duffy wechselte diskret das Thema: »Und Ihr Hund?«
»Opa ist heute dran, aber ich sehe schwarz. Wir sind ja doch schon einige Tage hier, er müßte uns längst gefunden haben... Sagen Sie, meine Frau... Ist sie im Zimmer?« Madame nickte: »Und tröstet Ihre Tochter.«
Es duftete herrlich nach frisch gegrilltem Fisch. Die Dame des Hauses hatte wieder einmal ihre Kochkünste spielen lassen. Sämtliche Kräuter der Provence und knackiges Knoblauchbaguette gaben sich bei Tisch ein Stelldichein. Ricas miese Laune konnte das allerdings nicht besänftigen. Sie hatte zuvor eine Stunde heulend abwechselnd in Mutters und Vaters Armen gelegen und über die Ungerechtigkeit der Welt geklagt. Daß sie ihren Geburtstag nicht in einem Schweinekaff verbringen wollte, daß ihr die Landpomeranzen hier samt der Ortsdisco gestohlen bleiben könnten, daß sie ans Mittelmeer wollte und sonst gar nichts... Tränen über Tränen. Abschließend hatte man sich darauf geeinigt, nach dem Essen weiterzureden. Und genau darauf wartete sie jetzt. Die Familie spendete dem tüchtigen Vater ob dieses tollen Fanges mächtig Lob. Der genoß das in vollen Zügen, wenn auch mit schlechtem Gewissen und schüchternen Seitenblicken zu Madame Duffy, die aber mit keinem Ton verriet, daß sie sein Geheimnis durchschaut hatte. Alle anderen langten kräftig zu. Die Stimmung war, abgesehen von Ricas Tief, großartig.
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