Geheime Melodie
ich, weil der Sprecher Haj ist, tonlos der Perrierflasche übermittle – »diese Zahlen sind schlicht und einfach lachhaft. Ich meine,
Schei ße auch« – ein nachdrücklicher Appell an seine beiden Gefährten –, »könnt ihr euch vorstellen, daß unser Erlöser auf derart kleinem Fuß lebt? Ich meine, was wollen Sie essen, Mzee? Wer soll Ihre Miete bezahlen, Ihre Benzinkosten, Ihre Reisen, Ihre Unterhaltung? All diese notwendigen Aufwendungen sollten aus der Staatskasse bestritten werden, nicht von Ihrem Schweizer Konto.«
Falls Haj einen wunden Punkt ber ührt hatte, war Gleichmut um so gebotener. Tabizis Miene erstarrte, aber er hatte ohnehin schon recht versteinert dreingeschaut. Philips Lächeln verlor keinen Deut seiner Liebenswürdigkeit, und der Delphin, der anstelle seines Herrn und Meisters antwortete, tat dies ohne eine Sekunde des Zögerns.
»Solange unser geliebter Mwangaza der vom Volk erkorene Anführer ist, wird er leben, wie er immer gelebt hat, das heißt von seinem einfachen Lehrergehalt und den bescheidenen Einnahmen durch seine Bücher. Er dankt Ihnen für Ihre sehr gute Frage.«
Felix Tabizi tappt um den Tisch wie ein Menschenfresser, der sich als Chorknabe verkleidet hat. Aber es sind keine Notenbl ätter, die er verteilt, es ist etwas, das er notre petite aide-mémoire nennt – eine einseitige Umwandlungstabelle, die dem geneigten Leser aufschlüsselt, was sich in der realen Welt hinter solch unbeschwerten Ausdrücken wie Schaufel, Spaten, Spitzhacke, schwere und leichte Schubkarren und dergleichen mehr verbirgt. Und da die Information auf Swahili ebenso wie auf Französisch mitgeliefert wird, darf ich so stumm bleiben wie alle anderen im Raum, während philosophische Vergleiche zwischen W örtern und Bedeutung gezogen werden.
Und bis zum heutigen Tag w üßte ich nicht zu sagen, was was war. Die besten leichten Schubkarren kamen aus Bulgarien, aber was zum Teufel stellten sie vor? Kanonen für die Bugnasen der weißen Hubschrauber? Fragen Sie mich, was eine Sichel war, oder ein Traktor , oder ein Mähdrescher, und ich wäre nicht minder aufgeschmissen. Kam mir der Gedanke, daß dies der Zeitpunkt sein könnte, aufzuspringen und dazwischenzufahren – so wie der tapfere kleine Herr in der Trattoria? Meine ockerbraune Mappe zusammenzurollen, damit auf den Tisch zu hauen: Ich muß sprechen, ich bin es mir schuldig, also spreche ich? Wenn ja, dann erörterte ich noch im stillen das Für und Wider, als die innere Tür sich öffnete, um unseren hochverdienten Notar Monsieur Jasper Albin einzulassen, eskortiert von Benny, seinem treusorgenden Hüter.
Jasper hat an Statur gewonnen. Am Morgen, als er stolz darauf schien, da ß er nichts zu bieten hatte als seine Käuflichkeit, mangelte ihm deutlich daran – entsprechend groß ja auch meine Verwunderung, daß eine so kühne, finanziell so aufwendige Unternehmung ihre rechtliche Absicherung in solche Hände gelegt haben sollte. Nun jedoch sahen wir einen in seine Rolle hineingewachsenen Jasper, selbst wenn das Folgende reines Schmierentheater war – oder vielmehr Schmierenpantomime, da mein Gedächtnis die Tonspur des großen Dramas gnädigerweise weitgehend gelöscht hat.
Die Nachmittagssonne str ömt unverändert zu den Terrassentüren herein. Kleine Stäubchen oder Tröpf chen von Abendtau schweben in ihren Strahlen, als Jasper aus seinem dickb äuchigen Aktenkoffer zwei identische Lederordner zutage fördert, die einem Schatzkanzler zur Ehre gereichen würden. In den Einband geprägt ist ein einziges Wort: Contrat . Nur mit den Fingerspitzen öffnet er erst den einen Ordner, dann den anderen, ehe er sich zurücklehnt, auf daß wir alle es sehen können: das Original, das alleingültige, mit Kordel gebundene, nicht einklagbare Dokument, die eine Fassung in Jaspers Französisch, die andere in meinem Swahili.
Als n ächstes entnimmt er seinem Zauberkasten eine antiquierte Handpresse aus getüpfeltem grauen Metall, in der ich in meinem entkörperlichten Zustand flugs Tante Imeldas Zitronenpresse erkenne. Gefolgt wird sie von einem einzelnen A4-Blatt Wachspapier, auf dem acht rote Sterne zum Abziehen kleben, Sowjet-Stil, mit zusätzlichen Zacken. Auf einen Wink von Philip hin erhebe ich mich und stelle mich neben Jasper, während dieser sich an die Delegierten wendet. Seine Ansprache ist nicht eben zündend. Ihm wurde zu verstehen gegeben, informiert er uns, daß die Vertragspartner Einigkeit erzielt haben. Da er bei unseren Beratungen
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