Geheime Melodie
es nur die zwei Tage sind«, fügte ich im Gedenken an meine Lebensentscheidung hinsichtlich Hannah hinzu, die ich ohne Zeitverlust umzusetzen gedachte. »Oder im Höchstfall drei.«
»Ich muß Sie allerdings warnen, daß Sie von dem Moment an, da Sie dieses Gebäude verlassen, für die Regierung Ihrer Majestät nicht mehr existieren. Wenn Sie aus irgendeinem Grund enttarnt werden sollten, werden wir Sie eiskalt Ihrem Schicksal überlassen. Ist das bei Ihnen angekommen, mein Junge? Sie schauen ein bißchen entrückt, wenn ich das so sagen darf.«
Bridget hatte begonnen, mich mit ihren schlanken, gepflegten Fingern aus der Smoking j äcke zu schälen, nicht ahnend, daß nur eine Schädelwand von ihr entfernt Hannah und ich fast vom Schlafsofa fielen, während wir einander die restlichen Kleider vom Leib rissen und uns zum zweiten Mal liebten.
»Angekommen und angenommen, Mr. Anderson«, reimte ich munter, wenn auch etwas verspätet. »Um welche Sprachen geht es? Reden wir über Fachvokabular? Soll ich vielleicht auf einen Sprung nach Battersea zurückfahren, solange ich noch freie Bahn habe, und mir ein paar Wörterbücher greifen?«
Mein Anerbieten war offensichtlich nicht nach seinem Geschmack, denn er spitzte die Lippen. »Darüber werden Ihre vorübergehenden Auftraggeber zu befinden haben, danke, Salvo. Wir haben weder nähere Einsicht in ihre Pläne, noch wünschen wir es.«
Bridget f ührte mich zu einem muffigen kleinen Schlafzimmer, kam aber nicht mit herein. Auf dem ungemachten Bett waren zwei Paar gebrauchte Flanellhosen ausgelegt, drei Secondhand-Hemden, eine Auswahl an Unterwäsche, die schwer nach Heilsarmee aussah, Socken und ein Lederg ürtel, von dessen Schnalle das Chrom abblätterte. Und darunter auf dem Boden drei Paar Schuhe in verschiedenen Stadien der Abgenutztheit. Über einem Bügel an der Tür hing ein schäbiges Sportsakko. Als ich meinen Abendanzug auszog, wurde ich wieder mit einem Hauch von Hannahs Duft belohnt. In ihrem winzigen Kämmerchen hatte es kein Waschbecken gegeben. Die Badezimmer auf der anderen Seite des Ganges waren von Krankenschwestern belegt gewesen, die sich für ihre Schicht fertigmachten.
Von den Schuhen pa ßten die am wenigsten scheußlichen am schlechtesten. Ich entschied mich trotzdem für sie, ein verfehlter Sieg der Eitelkeit über die Vernunft. Das Sportsakko war aus brettsteifem HarrisTweed mit Achseln aus Eisen: Schultern nach vorn, und der Kragen sägte mir im Nacken; Schultern zurück, und er nahm mich in den Würgegriff. Eine Strickkrawatte aus olivgrünem Nylon vervollständigte das trostlose Ensemble.
Und an diesem Punkt, wenn auch nur minutenlang, sank meine Stimmung, denn ich bekenne offen meine Liebe zu modischer Eleganz, meine Freude an Wirkung, Farbe, Schick – zweifellos die Gene meiner kongolesischen Mutter. Ein Blick in meinen Aktenkoffer an einem x-beliebigen Arbeitstag, und was findet sich da, zwischen eidesstattliche Versicherungen, Hintergrundinformationen und Abschiebungsanordnungen gebettet? Hochglanzbroschüren der weltweit kostspieligsten Herrenausstatter, voll mit Kleidungsstücken, für die ich in einem Dutzend Leben nicht das Geld verdienen k önnte. Und jetzt? Was für ein Anblick! Als ich ins Wohnzimmer zurückkam, war Bridget damit beschäftigt, auf einem Schreibblock ein Inventar meiner Habseligkeiten anzulegen: ein ultramodernes Mobiltelefon – Slimline-Version, gebürsteter Stahl mit ausklappbarer Kamera –, ein Schlüsselbund, ein Führerschein, ein britischer Reisepaß, den ich, sei es aus Stolz oder Unsicherheit, immer bei mir trage, sowie eine schlanke Brieftasche aus echtem Kalbsleder, Inhalt fünfundvierzig Pfund in Scheinen nebst Kreditkarten. Pflichtschuldig händigte ich ihr auch die letzten Überreste meines einstigen Glanzes aus: meine nagelneue Smokinghose, die dazu passende Turnbull&Asser-Fliege, das gefältelte Frackhemd aus feinster Sea-Island-Baumwolle, den Kragenknopf und die Manschettenknöpfe aus Onyx, meine seidenen Socken und die Lacklederschuhe. Dieser leidvolle Vorgang war noch nicht abgeschlossen, als Mr. Anderson wieder auf den Plan trat.
»Sie sind nicht zufällig mit einem gewissen Brian Sinclair bekannt, Salvo?« fragte er anklagend. »Überlegen Sie bitte scharf. Sinclair? Brian? Ja oder nein?«
Ich versicherte ihm, da ß meine einzige Bekanntschaft mit dem Namen ein paar Minuten alt war, als er ihn nämlich am Telefon erwähnt hatte.
»Sehr gut. Ab sofort, und für die nächsten zwei Tage
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