Geheime Melodie
Delegierten bearbeitet, Philip hat den Rahmen für die Verhandlungen abgesteckt und alle an einen Tisch gebracht. Vor achtundvierzig Stunden hätte es nicht den Hauch einer Chance gegeben, die Delegierten in einem Raum zusammenzubringen. Halten Sie also den Mund und bewundern Sie ihn.«
»Wird gemacht, Skipper. Kein Problem. Liebend gern.«
Im n ächsten Moment jagte Maxie vor mir her die Steintreppe hinauf, immer zwei Stufen auf einmal, und oben mit wütenden Schritten weiter bis in die Bibliothek, wo er sich in einen Sessel warf und auf einen zweiten deutete, und da saßen wir beide wie zwei Landjunker auf ihrem Herrensitz, während wir abkühlten. Vor den Verandatüren stiegen weiche Rasenflächen sanft an zu dem verwanzten Pavillon.
»An einem Ort in Dänemark, knapp tausend Meilen von hier, ist zur Zeit eine Tagung im Gange«, nahm er den Faden wieder auf. »Soweit alles klar?«
»Alles klar, Skipper.«
»Nennt sich Great Lakes Forum. Schon mal gehört?«
Nein, das hatte ich nicht.
»So ein Haufen von langhaarigen skandinavischen Akademikern. Stoßen inoffizielle Diskussionen an, die die Probleme des Ostkongo lösen sollen, und zwar möglichst noch vor den Wahlen. Weil ja diese ganzen Typen, die sich so spinnefeind sind, nur ein bißchen Dampf ablassen müssen, und simsalabim, schon passiert ein Wunder!«
Ich l ächelte wissend. Wir waren wieder auf Kurs, Kameraden, wie es sein sollte.
»Heute ist ihr freier Tag. Da steht eigentlich die Besichtigung von Fischräuchereien und Skulpturenparks auf dem Programm, aber drei der Delegierten schwänzen diesen Teil und kommen statt dessen hierher. Zu einer noch inoffizielleren Tagung.« Er warf einen Ordner auf den Tisch zwischen uns. »Da sind die Hintergrundinformationen, die Sie wollten. Kurzbiographien, Sprachen und Stammeszugehörigkeit der Akteure. Kleiner Liebesdienst von Philip. Ziemlich schräges Trio, diese drei«, fuhr er fort. »Bis vor wenigen Monaten waren sie noch vollauf damit beschäftigt, einander die Eier abzuschneiden und die Frauen abzuschlachten und sich gegenseitig Land, Vieh und Bodenschätze abzujagen. Mit ein bißchen Nachhilfe bilden sie jetzt eine Allianz.«
»Gegen wen diesmal, Skipper?« fragte ich in angemessen weltmüdem Ton.
Meine Skepsis sprach f ür sich selbst, denn was konnte der Zweck irgendeines Bündnisses in diesem rückständigen Paradies sein, wenn nicht die Vernichtung eines gemeinsamen Feindes? Es dauerte darum einen Moment, bis die volle, die ungeheuerliche Tragweite seiner Antwort einsickerte.
»Ausnahmsweise nicht gegen wen. Sondern unter wessen Führung. Haben Sie schon mal von diesem selbsternannten großen Retter des Kongo läuten hören, ExProfessor für was weiß ich, der derzeit durch die Lande tingelt? – nennt sich der Mwangaza – das heißt Licht, stimmt’s?«
»Oder Lichtbringer«, erwiderte ich, die reine dolmetscherische Reflexhandlung. »Je nachdem, ob wir es figurativ oder buchstäblich meinen, Skipper.«
»Tja, der Mwangaza ist jedenfalls der, auf den’s ankommt, figurativ hin oder her. Wenn wir ihn vor den Wahlen ans Ruder bringen, stehen wir ganz oben. Wenn nicht, sind wir im Arsch. Trostpreis gibt’s keinen.«
Zu sagen, mir wirbelte der Kopf, w äre eine Untertreibung erster Güte. Eher schoß er wild rotierend in den Weltraum hinaus, unter Aussendung hektischer Signale an Hannah.
* * *
Ich habe ihn sprechen h ören, Salvo , sagt sie mir, vom Französischen ins Englische überwechselnd in einem unserer kurzen Momente der Ruhe. Er ist ein Apostel der Wahrheit und der Versöhnung. In Kivu hörst du ihn auf jedem Radiosender. Vor zwei Wochen, an meinem freien Tag, bin ich mit Freunden rauf nach Birmingham gefahren, und er hat zu einer gro ßen Menschenmenge gesprochen. Man hätte eine Stecknadel fallen hören können in dem Saal. Seine Bewegung heißt der Pfad der Mitte. Sie wird etwas vollbringen, was keine politische Partei erreichen kann. Und zwar deshalb, weil es eine Bewegung ist, die die Herzen anspricht und nicht die Brieftaschen. Sie wird alle Menschen in Kivu vereinen, im Norden wie im Süden. Sie wird die Profitgeier in Kinshasa dazu zwingen, ihre korrupten Soldaten aus dem Ostkongo abzuziehen, so daß wir unser Schicksal selbst in die Hand nehmen können. Sie wird die Stellvertreterarmeen und völkermordenden Milizen entwaffnen und sie zurück über die Grenze nach Ruanda schicken, wo sie hingehören. Die, die ein echtes Anrecht darauf haben, können bleiben, vorausgesetzt,
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