Geheime Melodie
urteilen, verstand er es als solche.
»Worauf wollen Sie hinaus?« erkundigte er sich gereizt.
»Na ja, dann brauchen Sie mich doch eigentlich gar nicht, oder? Nicht oben jedenfalls. Als Dolmetscher. Ich meine, wenn der Mwangaza selber Französisch und Swahili spricht? Bleibe ich dann nicht besser bei Spider im Heizungskeller und lausche?«
»Völliger Unfug. Sie sind der Star der Show, schon vergessen? Große Retter, die die Welt verändern wol len, dolmetschen doch nicht f ür sich selbst! Und Tabizi traue ich in keiner gottverdammten Sprache über den Weg, und wenn’s nur um die Uhrzeit geht.« Kurze Besinnungspause. »Mit Ihnen steht und fällt die Sache. Der Mwangaza besteht darauf, Swahili zu sprechen, weil ihm Französisch zu kolonialistisch ist. Wir haben einen Mitspieler, der perfektes Französisch und fast kein Swahili spricht, und einen, der ein bißchen Swahili spricht, aber dafür fast kein Französisch.«
So geschmeichelt ich von dem Star der Show war, hatte ich doch noch eine Frage. Oder besser gesagt, Hannah hatte eine.
»Und der gewünschte Endeffekt der Konferenz, Skipper? Unser Traumausgang? Wie würden wir den definieren? – das ist etwas, was ich meine Klienten immer frage.«
Eine L üge, aber immerhin lockte ihn meine Aufsässigkeit aus der Reserve. »Wir räumen den Saustall da unten auf, Sinclair!« erklärte er mit mühsam beherrschter Stimme. »Wir bringen Ordnung in ein gottverdammtes Irrenhaus. Wir geben Leuten, auf denen immer nur rumgetrampelt worden ist und die so scheißarm sind, daß es überhaupt nicht zu sagen ist, ihr Land zurück und zwingen sie, einander zu tolerieren, Geld zu verdienen, sich verdammt noch mal ein Leben zu schaffen. Haben Sie damit ein Problem?«
Die offenkundige Aufrichtigkeit seiner Intentionen, an der ich bis heute keinen Zweifel habe, lie ß mich zwar innehalten, lockerlassen jedoch nicht.
»Ganz und gar nicht, Skipper. Nur hatten Sie von Demokratie mit vorgehaltener Knarre gesprochen.
Und da stellt sich mir nat ürlich die Frage, wen genau Sie im Visier hatten, als Sie das gesagt haben. Wem die Knarre vorgehalten werden soll, meine ich. Schließlich soll es bald Wahlen geben. Warum ihnen vorgreifen? Das verstehe ich nicht.«
Habe ich erw ähnt, daß Hannah, wie Mr. Anderson es nennen würde, pazifistische Tendenzen hat? Daß ihr ein paar aufrührerische Nonnen in ihrer Amerikagesponserten pfingstkirchlichen Missionsschule stark quäkerhaft angehauchte Vorstellungen von Gewaltlosigkeit und dem Hinhalten der anderen Wange eingeimpft haben?
»Wir reden hier über den Kongo, richtig?«
Richtig, Skipper.
»Einen der größten Friedhöfe der Welt. Richtig?«
Richtig. Keine Frage. Vielleicht der gr ößte überhaupt.
»Wo die Menschen sterben wie die Fliegen, während wir hier sitzen und quasseln. Ganze Stämme, die sich gegenseitig abschlachten, Seuchen, Hungersnot, Soldaten, die keine zehn Jahre alt sind, jede Menge Vergewaltigungen und Gemetzel, dazu Inkompetenz, daß es der Sau graust. Richtig?«
Goldrichtig, Skipper.
»Wahlen bringen keine Demokratie, sie bringen Chaos. Die Sieger sacken alles ein und verpassen den Verlierern einen Tritt in den Arsch. Die Verlierer schreien Betrug und tauchen in den Dschungel ab. Und da alle sowieso ihre eigenen Volksgruppen gewählt haben, fangen wir wieder bei Null an oder noch drunter. Es sei denn …«
Ich wartete.
»Es sei denn, man schafft es, schon im Vorfeld einem gemäßigten Anführer an die Macht zu helfen, der den Wählern seine Botschaft nahebringt, ihnen beweist, daß seine Methode funktioniert, und damit den Teufelskreis durchbricht. Können Sie mir folgen?«
Durch dick und d ünn, Skipper.
»Tja, und das ist der große Plan des Syndikats, und es ist der Plan, für den wir uns hier heute stark machen. Wahlen sind westliche Flachwichserei. Kommen wir ihnen zuvor, bringen wir den richtigen Mann ans Ruder, geben dem Volk zur Abwechslung mal ein ordentliches Stück vom Kuchen und lassen den Frieden ausbrechen. Der normale Multi hat mit den Armen nichts am Hut. Brot für Millionen Hungernde ranschaffen, das ist nicht kosteneffektiv.
Die armen Schweine privatisieren und sie verrecken lassen schon. Tja, unser kleines Syndikat denkt da anders. Und der Mwangaza denkt auch anders. Sie denken in Richtung Infrastruktur, in Richtung Teilen, in Richtung Nachhaltigkeit. «
Meine Gedanken flogen zur ück zu Lord Brinkley und seiner multinationalen Gruppe von Mitstreitern. Kleines Syndikat? Noch nie
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