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Geheime Melodie

Geheime Melodie

Titel: Geheime Melodie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John le Carré
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»Jungs, ich bin rumgekommen in der Welt, ich kenn mich aus, und glaubt mir: wir werden abgehört.« Wenn das so ist, dann gibt es jetzt mehrere Möglichkeiten, je nachdem, wer die Zielpersonen sind – die ZPs, wie Maxie sagen würde – und ob sie sich momentan eher als Verschworene oder eher als Verschwörungsopfer fühlen. Im besten Fall sagen sie sich: »Egal, reden wir einfach trotzdem«, was die Reaktion jedes vernünftigen Durchschnittsmenschen wäre, der schlicht nicht die Zeit und die Geduld fürs Abgehört-Werden hat. Aber das hier ist keine Durchschnittssituation. Und was uns beide an den Rand des Wahnsinns treibt, mich genauso wie Sam, ist, daß unseren drei Delegierten, wenn sie sich nur darauf besännen, eine Patentlösung zu Gebote stünde, weshalb ich ja hier unten hocke und lauere.
    W ürden Sie sie nicht auch am liebsten anbrüllen, Brian?
    Doch, Sam, und ob ich es m öchte, aber in meinem Kopf nistet sich eine viel schlimmere Angst ein. Nicht Spiders Mikrophone sind aufgeflogen – ich, Salvo, bin es. Philips Rettung in letzter Minute hat mich doch nicht gerettet. Während Franco sein Begrüßungssprüchlein in der falschen Sprache auf den falschen Mann losließ, hat Haj meine Spätzündung beobachtet, deshalb auch sein ständiges glotzäugiges Starren. Er hat gesehen, wie ich meinen dummen Mund auf- und wieder zugeklappt habe, um in aller Eile ein verblüfftes Gesicht aufzusetzen.
    Mit derlei Gedanken foltere ich meine Seele, als wie eine Heilsbotschaft die Ba ßstimme des alten Franco an mein Ohr dringt, nicht auf Bembe jetzt, sondern in dem Kinyarwanda, das er im Gefängnis gelernt hat. Und diesmal darf ich ihn verstehen, statt mich dummstellen zu müssen.
    * * *
    Tondiebesbeute, das sch ärft Mr. Anderson seinen Schülern immer wieder ein, ist ihrer Natur nach unzusammenhängend, häufig wertlos und frustrierend bis dorthinaus. Die Geduld eines Hiob, so Mr. Anderson, reicht kaum aus, das gelegentliche Goldkörnchen aus dem Meer von Unrat herauszusieben, in dem es schwimmt. So gesehen weichen die Eröffnungsbemerkungen unserer drei Delegierten in keiner Weise von der Norm ab: ganz die erwartete Mischung aus defti gen Erleichterungsbekundungen und vereinzelten Probesch üssen für eine Schlacht, in der die Seiten noch gewählt werden müssen.
    Franco: (Zitiert in bei ßendem Ton ein kongolesisches Sprichwort) Von schönen Worten wird die Kuh nicht satt.
    Dieudonn é: (Ergänzt Francos Sprichwort um ein anderes) Die Zähne lächeln, aber lächelt auch das Herz?
    Haj: Mannomann! Mein Vater hatte mich ja vorgewarnt, da ß der alte Knabe ganz schön vom Leder ziehen würde – aber meine Fresse! Aw-aw-aw. Warum spricht er Swahili wie ein Tansanier mit einer Papaya im Arsch? Ich denke, er ist ein gestandener Shi!
    Niemand antwortet ihm, was typisch ist, wenn man drei M änner zusammen in ein Zimmer steckt. Der mit dem größten Mundwerk reißt das Gespräch an sich, und die beiden, deren Meinung man erfahren wollte, verstummen.
    Haj: Wer ist eigentlich das h übsche Zebra? (Perplexes Schweigen, in das ich nur einstimmen kann) Dieser Dolmetscher in der Linoleumjacke. Was für einer ist das?
    Haj nennt mich ein Zebra? Ich habe mir schon einiges an Namen anh ören müssen. In der Missionsschule hieß ich Métis, Café-au-lait oder auch das rasierte Schwein. In Herz-Jesu war ich alles vom Brikett bis zum Moh renkopf. Aber Zebra war ein bisher ungekanntes Schimpfwort f ür mich, und ich mußte annehmen, daß es Hajs ganz persönliche Schöpfung war.
    Haj: Ich kannte mal einen, der sah auch so aus. Vielleicht sind sie ja verwandt. Ein Buchhalter. Hat bei meinem Vater die Zahlen frisiert. Und ansonsten s ämtliche Weiber in der Stadt gebumst, bis ein wütender Ehemann ihm den Arsch weggeballert hat. Kraboom! War aber nicht ich. Ich bin nicht verheiratet, und ich niete keine Leute um. Wir haben uns auch so schon genug dezimiert. Scheiße. Nie wieder. Zigarette?
    Haj hat ein goldenes Zigarettenetui, das mich schon oben im Besprechungszimmer aus dem senfgelben Seidenfutter seines Anzugs angeblitzt hat. Jetzt h öre ich das satte Klicken, mit dem er es aufschnappen läßt. Franco steckt sich eine Zigarette an, und ein Totengräberhusten schüttelt ihn.
    Und worum ging ’s da jetzt, Brian?
    Um meine ethnische Zugeh örigkeit.
    Ist das normal?
    Ziemlich.
    Dieudonn é, der erst abgelehnt hatte, murmelt ein fatalistisches »Ach, was soll’s?« und zündet sich auch eine an.
    Haj: Bist du krank oder so was?

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