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Geheime Melodie

Geheime Melodie

Titel: Geheime Melodie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John le Carré
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Philip aus. Ich antwortete mit einem verwirrten und leicht bedauernden Lächeln. Als das seine Wirkung verfehlte, zuckte ich die Achseln und schüttelte den Kopf, um mein andauerndes Unverständnis zu bekunden. Haj begriff seinen Irrtum – oder tat so als ob –, lachte entschuldigend auf und klopfte mir auf den Oberarm. Hatte er versucht, mich zu überrumpeln? Nein, sicher nicht. Das sagte ich mir zumindest. Er war in die Falle getappt, die am Wege jedes gestandenen Vielsprachlers lauert. Er hatte in der Gästesuite so lange am Stück Kinyarwanda gesprochen, daß er das Umschalten verschwitzt hatte. Kann jedem passieren. Vergiß es.

10
    Meine Herren. Ich übergebe an Monsieur le Colonel!«
    Maxie hat die H ände in die Hüften gestemmt, Kampfeslust glimmt in seinen wäßrig blauen Augen, als er vor der Staffelei Aufstellung nimmt: noch drei Jahre bis zu seinem Borodino. Das Jackett hat er ausgezogen, aber die Krawatte ist noch dran. Wahrscheinlich trägt er so selten eine, daß er sie völlig vergessen hat. Unsere Zahl ist geschrumpft. Der Mwangaza, vormals unser Mann auf den Barrikaden, aber nun der große Friedensverkünder, hat sich in die Abgeschiedenheit der Königlichen Gemächer zurückgezogen, begleitet von seinem ringelgeschwänzten Jünger. Nur Tabizi – Boxerschultern vorgeschoben, Lider gesenkt, das schwarzgefärbte Haar methodisch über seine Platte gekämmt – wacht nun darüber, daß alles mit rechten Dingen zugeht.
    Aber es ist nicht Maxie, auf den ich blicke, nicht Tabizi, nicht die Delegierten. Es ist meine Kindheit. Es ist die gro ße Militärkarte der Stadt Bukavu, dieses Juwels von Zentralafrika – und nach Ansicht mancher von ganz Afrika – an der Südspitze von Afrikas höchstgelegenem und darum kühlstem See. Und dieser See, von Nebeln umwallt und in leuchtendgrüne Hügel gebettet, ist verzaubert, das wußte schon mein seliger Vater. Und erst recht wußten es die Fischer, mit denen er unten an den Landestegen seine Schwätzchen hielt, wäh rend sie die sambaza aus ihren Netzen klaubten und in gelbe Plastikeimer warfen, wo sie zappelten, stundenlang, wenn nicht jemand wie ich kam und sie ins Wasser zur ückwarf. Sie kannten auch Mamba Mutu, die halb Krokodil ist und halb Frau, und die schlechten Menschen, die sich bei Nacht ans Ufer hinunterschleichen, um mittels Hexerei die lebendigen Seelen unschuldiger Freunde gegen Wonnen in dieser Welt und sichere Vergeltung in der nächsten einzutauschen. Weshalb der Kivusee als verflucht gilt, und weshalb immer wieder Fischer verschwinden, in die Tiefe gezogen von Mamba Mutu, die sich an ihren Gehirnen gütlich tut. Das jedenfalls erzählten die Fischer meinem seligen Vater, der Verstand genug besaß, sich über ihren Glauben nicht lustig zu machen.
    Die Hauptstra ße säumen klassische Kolonialhäuser mit abgerundeten Ecken und rechteckigen Fenstern, die von Bougainvilleen, Jakaranda- und Tulpenbäumen überhangen sind. Die Hügel ringsum schwellen von Bananenhainen, und von Teeplantagen so dicht und weich wie grüne Matten. Von den Hängen dieser Hügel aus kann man die fünf Halbinseln der Stadt zählen. Die größte heißt La Botte, und da ist sie, auf Maxies Karte: ein Stiefel ganz wie der italienische, mit schmucken Villen, deren gehätschelte Gärten sich in Terrassen zum Seeufer hinabsenken; selbst le Maréchal Mobutu ließ sich dazu herab, hier zu residieren. Der Schaft zielt kühn hinaus auf den See, geradewegs auf Goma im Norden, so wirkt es, doch im letzten Moment knickt der Fuß scharf nach rechts weg: ein Tritt für Ruanda am Ostufer.
    Maxies Papierpfeile dienen rein strategischen Zwecken. Sie weisen auf das Haus des Gouverneurs, die Radio- und Fernsehsender, das UNO-Hauptquartier und die Kaserne. Doch kein Pfeil zeigt auf die Stra ßenstände, an denen wir Ziegen-Brochettes aßen, wenn mein Vater mit mir an meinem Geburtstag in die Stadt ging; keiner zeigt auf die Kathedrale mit ihrem grünen, zwei gestrandeten Schiffsrümpfen gleichsehenden Doppeldach, in der wir für meine unsterbliche Seele beteten, oder auf die trutzig gemauerte Katholische Universität, an der ich, wenn ich nur recht fleißig lernte, eines Tages vielleicht würde studieren dürfen. Und keiner zeigt auf die Mission der Weißen Schwestern, die das Kind, das es nicht gab, mit Zuckerplätzchen fütterten und ihm sagten, was für einen lieben netten Onkel es doch habe.
    Maxie steht mit dem R ücken zu uns. Philip sitzt neben ihm. Seine Mimik ist so im Fluß, daß

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