Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Geheime Melodie

Geheime Melodie

Titel: Geheime Melodie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John le Carré
Vom Netzwerk:
(Rasseln) … aufhörten damit, unsere Toten und unsere Verstümmelten zu rächen … wenn wir uns selber im Zaum halten könnten … und uns vereinen … unter diesem Anführer oder welchem Anführer auch immer …
    Er bricht ab. Sein Keuchen geht so heftig, da ß es mich an Jean-Pierre im Krankenhaus erinnert, nur ohne die Schläuche. Auf der vordersten Kante meines Schleudersitzes warte ich auf Francos Entgegnung, muß mir aber nur wieder ohnmächtig Hajs Reden anhören.
    Haj: Verb ündete wobei, verdammt noch mal? Um was zu erreichen? Ein vereintes Kivu? Nord und Süd? Meine Freunde. Laßt uns unsere Bodenschätze wieder in Besitz nehmen, auf daß wir Kontrolle über unser Schicksal erlangen! Hmpf hmpf. Unsere Bodenschätze sind in festen Händen, du alter Idiot! Und zwar in den Händen von ruandischen Irren, die bis an die Zähne bewaffnet sind und in ihrer Freizeit unsere Frauen vergewaltigen! Diese Interahamwe-Typen sind da oben so fest etabliert, daß die Blauhelme sie um Überflugrechte bitten müssen!
    Dieudonn é: (Verächtliches Lachen) Die Blauhelme? Wenn wir darauf warten, daß die Blauhelme uns Frieden bringen, können wir warten, bis unsere Kinder tot sind und unsere Enkel auch.
    Franco: Dann solltest du deine Kinder und Enkelkinder am besten jetzt gleich nach Ruanda zur ückbringen und uns in Ruhe lassen.
    Haj: (Unterbricht ihn hastig auf franz ösisch, vermutlich um den Streit abzuwürgen) Wir warten? Habe ich da wir gehört? (Kurze Stepeinlage der Krokosohlen, gefolgt von Totenstille) Glaubst du im Ernst, hier geht es um uns? Der Alte will nicht uns, er will die Macht. Er will sich seinen Platz in der Geschichte sichern, bevor er den Löffel abgibt, und dafür ist er bereit, uns an irgendein nebulöses Syndikat zu verhökern und das ganze verdammte Haus über uns zum Einsturz zu bringen.
    Ich habe die Flut der Ketzereien kaum zu Ende übersetzt, da ruft Philips Glocke uns zur zweiten Runde.
    * * *
    Und an dieser Stelle mu ß ich einen Vorfall erwähnen, der zwar zum Zeitpunkt des Geschehens keinen nachhaltigen Eindruck in meinem überreizten Hirn hinterließ, im Licht der nachfolgenden Ereignisse jedoch nähere Betrachtung verdient. Philips Glocke ertönt, ich nehme den Kopfhörer ab. Ich stehe auf, erwidere das Zwinkern, das Spider mir zukommen läßt, und erklimme die Kellertreppe. Oben angelangt, gebe ich das vereinbarte Zeichen: drei kurze Schl äge an die Eisentür, die Anton einen Spalt weit öffnet und hinter mir gleich wieder schließt, unglücklicherweise mit einem lauten Knall. Ohne daß zwischen uns ein Wort fiele, dirigiert Anton mich um die Hausecke zum Ostende des Bogenganges, von wo es nur ein kurzes Stück bis zum Spielzimmer ist, alles nach wie vor nach Plan. Nur mit einer Abweichung: beide haben wir die Rechnung ohne die Sonne gemacht, die mir direkt in die Augen scheint und mir einen Moment lang die Sicht nimmt.
    Als ich meinen Weg antrete, die Augen niedergeschlagen, um nicht geblendet zu werden, h öre ich Schritte und die typisch afrikanischen Lachsalven der Delegierten, die sich vom anderen Ende des Bogengangs nähern. Ich werde ihnen direkt in die Arme laufen. Was bedeutet, daß ich eine überzeugende Ausrede parat haben muß, um zu erklären, warum ich von der falschen Seite des Hauses komme. Haben sie gesehen, wie Anton mich um die Ecke gescheucht hat? Haben sie die Eisentür zuknallen hören?
    Zum Gl ück habe ich Übung im Improvisieren, dank der Eintagesschulungen in Eigensicherung, die für uns Aushilfsagenten Pflicht sind. Was habe ich mit meinen kostbaren Minuten der Muße gemacht, während unsere Delegierten in Klausur waren? Antwort: Dasselbe wie in jeder anderen Verhandlungspause auch – mir ein entlegenes Fleckchen gesucht, wo ich ein bißchen Ruhe und Frieden genießen kann, bis der Gong ertönt. So gewappnet, setze ich meinen Anmarsch auf die Tür des Spielzimmers fort. Ich erreiche sie, halte an. Sie er reichen sie, halten an. Oder vielmehr Haj h ält an, denn Haj als der beweglichste der drei geht vorneweg, während Franco und Dieudonné in ein paar Schritten Abstand folgen. Sie haben noch nicht zu ihm aufgeschlossen, als mich Haj, nur Minuten, nachdem er mich als Zebra tituliert hat, mit erlesener Höflichkeit anspricht:
    »Nun, werter Herr Dolmetscher, sind Sie erquickt? Frisch und bereit für die nächste Schlacht?«
    Eine harmlose Frage, in harmlosem Ton gestellt. Nur da ß er mich auf Kinyarwanda anredete. Diesmal freilich kam ich ohne Warnsignale von

Weitere Kostenlose Bücher