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Geheime Melodie

Geheime Melodie

Titel: Geheime Melodie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John le Carré
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derzeitigen Domizils, obwohl ich sie nie gesehen habe und nie sehen werde, sowenig wie das Innere der Königlichen Gemächer des Mwangaza oder Sams Lagezentrum mit seinem abhörsicheren Satellitentelefon für die Kommunikation mit dem Syndikat und anderen ungenannten Personen – so jedenfalls Spider gleich vorhin zwischen Tür und Angel, denn Spider war redselig wie so viele Tondiebe, die walisischen allemal. Nach seinen Aufgaben damals im Chatroom befragt, erklärte er mir, daß er kein Ohrwurm sei, also fürs Übersetzen und Verschriften zuständig, sondern (der alte Witz) nur eine bescheidene kleine Wanze , sprich, ein Installateur geheimer Abhöranlagen zur größeren Freude Mr. Andersons. Aber das wahre Glück war für ihn, wenn die Fetzen flogen.
    »Da geht nichts drüber, Brian. Das ist das beste Ge f ühl überhaupt: wenn von allen Seiten die Kugeln ranzischen und du platt auf dem Gesicht im Schlamm liegst mit ’nem hübschen kleinen Sechzig-Millimeter-Mörser im Arsch.«
    Die gestohlenen T öne dringen laut und klar an mein Ohr, bis hin zu den Eiswürfeln, die in die Gläser krachen, und einer Kaffeemaschine, die mehr Baßtöne erzeugt als ein ganzes Symphonieorchester. Spider, der das alles schon zum x-tenmal mitmacht, ist dennoch nicht weniger angespannt als ich, aber es gibt keine Pannen in letzter Minute, keine Kurzschlüsse, keine Aussetzer, die Sache läuft.
    Nur l äuft sie eben doch nicht, denn niemand spricht. Den Hintergrund haben wir, aber keinen Vordergrund dazu. Aus dem Wohnzimmer der Delegierten ertönen Grunzer und Ächzer, aber nicht ein Wort. Ein Scheppern, ein Rülpser, irgend etwas quietscht. Dann weit weg Gemurmel, aber wer murmelt, und in wessen Ohr, ist ein reines Ratespiel. Und immer noch keine richtigen Stimmen, jedenfalls keine, die sich mithören ließen. Hat die Redegewalt des Mwangaza ihnen allen die Sprache verschlagen?
    Ich halte den Atem an. Spider auch. Ich liege m äuschenstill in Hannahs Bett und tue so, als gäbe es mich nicht, während ihre Freundin Grace an der verschlossenen Tür rüttelt und zu wissen verlangt, warum Hannah nicht zum Tennis erschienen ist (das Grace ihr beibringt), und Hannah, der Lügen ein Greuel sind, Kopfschmerzen vorschützt.
    Vielleicht sprechen sie nur ihre Gebete, Sam.
    Aber zu wem, Brian?
    Allzu viel kann Sam nicht über Afrika wissen, denn die Antwort wäre im Zweifel die auf der Hand liegende: zum christlichen Gott, Sam, oder zu ihrer jeweiligen Version des christlichen Gottes. Die Banyamulenge, die meinem seligen Vater so lieb waren, halten zu allen Zeiten Zwiesprache mit IHM, direkt oder durch ihre Propheten. Dieudonné, da bin ich mir sicher, betet, wann immer es ihn überkommt. Die Mai Mai dagegen erhoffen sich von Gott Schutz in der Schlacht und wenig sonst, deshalb kreist Francos Denken wohl mehr darum, was bei dem Ganzen für ihn herausspringt. Ein Medizinmann wird ihm zerdrückte Blätter des Tékébaums auf dem Körper verrieben haben, damit ihre Kräfte auf ihn übergehen. Zu wem Haj betet, darüber läßt sich nur spekulieren. Vielleicht zu Luc, seinem siechen Papa.
    Warum sagt niemand etwas? Und warum glaube ich aus dem Knarzen und Scharren und all den anderen zu erwartenden Hintergrundger äuschen eine zunehmende Spannung im Raum herauszuspüren, als würde jemand unseren Delegierten eine Gewehrmündung an die Schläfe halten?
    Sprecht doch, irgendeiner, um Himmels willen!
    Im stillen rede ich auf sie ein, beschw öre sie. Schaut her. In Ordnung. Ich versteh’s ja. Vorhin im Besprechungszimmer habt ihr euch eingeschüchtert gefühlt, nicht für voll genommen, gereizt durch die weißen Gesichter rund um den Tisch. Der Mwangaza hat euch von oben herab behandelt, aber so ist er nun mal, er ist ein Prediger, er kann nicht anders. Und ihr habt eure Verantwortung, auch das sehe ich ein. Ehe frauen, Sippen, St ämme, Geister, Propheten, Wahrsager, Medizinmänner, alles mögliche, von dem wir nichts verstehen. Aber bitte, um der Allianz willen, um Hannahs willen, um unser aller willen – sprecht!
    Brian?
    Sam?
    Ich frage mich langsam, ob nicht vielleicht wir gut daran t äten zu beten.
    Derselbe schreckliche Gedanke ist auch mir schon gekommen: Wir sind durchschaut. Einer unserer Delegierten – im Zweifelsfall Haj – hat den Finger auf die Lippen gelegt und deutet auf die Wände oder das Telefon oder den Fernseher, der kleine Klugscheißer, oder verdreht seine Glupschaugen zum Kronleuchter hoch. Was soviel heißen soll wie:

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