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Geheime Spiel

Geheime Spiel

Titel: Geheime Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: K Morton
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den Augen zu verlieren. Ich drehe mich kurz zu ihr um, dann sehe ich Miss Starling an.

    »Ich bin Grace. Grace Reeves. Wir haben uns auf Riverton kennengelernt.«
    Plötzlich erkennt sie mich. »Grace. Natürlich. Wie schön, Sie zu sehen.« Die merkwürdige Stimme, die sie auf Riverton von den anderen unterschied. Sie lächelt, tritt zur Seite und bedeutet mir einzutreten.
    Damit habe ich gar nicht gerechnet. Die Idee, sie aufzusuchen, war ziemlich spontan gewesen.
    Miss Starling steht in einem kleinen Wohnzimmer und wartet darauf, dass ich Platz nehme, damit sie sich auch setzen kann.
    Sie bietet mir eine Tasse Tee an, und es erscheint mir unhöflich, sie abzulehnen. Als sie in der kleinen Küche verschwindet, sehe ich mich verstohlen in dem Zimmer um. Hier ist es heller als im Flur, und mir fällt auf, dass ihre Fenster, ebenso wie die Wohnung selbst, makellos sauber sind. Sie hat aus ihrer bescheidenen Situation das Beste gemacht.
    Sie kommt mit einem Tablett zurück. Teekanne, Zuckerdose, zwei Tassen.
    »Was für eine angenehme Überraschung«, sagt sie. In ihrem Blick sehe ich die Frage, die sie aus Höflichkeit nicht stellt.
    »Ich bin gekommen, um Sie um einen Gefallen zu bitten«, sage ich.
    Sie nickt. »Worum geht es?«
    »Können Sie stenografieren?«
    »Selbstverständlich«, sagt sie stirnrunzelnd.
    Es ist die letzte Gelegenheit für mich, es mir anders zu überlegen und wieder zu gehen. Ich könnte ihr sagen, ich hätte einen Fehler gemacht, meine Tasse abstellen und zur Tür hinausspazieren. Die Treppe hinuntereilen, das Haus verlassen und nie wieder zurückkehren. Aber dann werde ich es nie erfahren. Und ich muss es
wissen. »Würden Sie mir etwas vorlesen?«, höre ich mich sagen.
    »Aber gern.«
    Ich gebe ihr den Zettel. Halte den Atem an, hoffe, die richtige Entscheidung getroffen zu haben.
    Ihre blassen Augen überfliegen den Text Zeile für Zeile, unerträglich langsam, so scheint es mir. Schließlich räuspert sie sich. »Hier steht: Danke für deine Hilfe bei der unsäglichen Sache mit dem Film. Wie hätte ich das ohne dich überstanden? T. war nicht gerade begeistert … Wie du dir bestimmt lebhaft vorstellen kannst. Ich habe ihm nicht alles erzählt, vor allem nicht von unserem Besuch in diesem grässlichen Haus. Er kann es nicht leiden, wenn man Geheimnisse hat. Ich weiß, dass ich mich auf dich verlassen kann, meine liebe Grace. Du bist mir mehr eine Schwester als eine Zofe .« Miss Starling blickt auf. »Ergibt das für Sie einen Sinn?«
    Ich nicke, bringe jedoch kein Wort heraus. Mehr wie eine Schwester. Eine Schwester. Plötzlich befinde ich mich an zwei Orten zugleich: hier in Lucy Starlings bescheidenem Wohnzimmer und weit weg in einer lang zurückliegenden Zeit im Kinderzimmer auf Riverton, den Blick sehnsüchtig auf zwei Mädchen geheftet, zwei blonde Schwestern mit gleichfarbigen Schleifen in den Haaren. Mit gemeinsamen Geheimnissen.
    Ohne einen weiteren Kommentar gibt Miss Starling mir den Zettel zurück. Plötzlich wird mir klar, dass der Inhalt, die Erwähnung von unsäglichen Dingen und zu wahrenden Geheimnissen, ihren Verdacht erregt haben könnte.
    »Es gehört zu einem Spiel«, sage ich hastig. Dann, etwas bedächtiger, meine Schwindelei beinahe genie-ßend, füge ich hinzu: »Ein Spiel, das wir manchmal spielen.«

    »Wie nett«, sage Miss Starling mit einem unbefangenen Lächeln. Sie ist Sekretärin und daran gewöhnt, die Geheimnisse anderer zu erfahren und gleich wieder zu vergessen.
    Wir plaudern noch eine Weile über London und die alten Zeiten auf Riverton. Ich bin überrascht zu erfahren, dass Miss Starling immer ganz nervös war, wenn sie zu uns nach unten kommen musste. Dass sie Mr Hamilton weitaus bewundernswerter fand als Mr Frederick. Wir müssen beide lachen, als ich ihr erzähle, dass wir genauso nervös waren wie sie.
    »Meinetwegen?«, sagt sie, während sie sich die Augenwinkel mit einem Taschentuch trocken tupft. »Ausgerechnet. «
    Als ich aufstehe, um mich zu verabschieden, bittet sie mich, sie wieder zu besuchen, und ich verspreche es ihr. Ich meine es ernst. Ich frage mich, warum ich sie nicht schon eher einmal besucht habe. Sie ist eine liebenswerte Person, und wir haben beide keine anderen Freunde in London. Sie begleitet mich zur Tür, und wir verabschieden uns.
    Als ich mich zum Gehen wende, sehe ich etwas auf ihrem Schreibtisch liegen und beuge mich vor, um mich zu vergewissern.
    Ein Theaterprogramm.
    Ich hätte mir nichts dabei gedacht, wenn mir

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