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Geheime Spiel

Geheime Spiel

Titel: Geheime Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: K Morton
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der Titel des Stücks nicht so bekannt vorgekommen wäre.
    » Princess Ida? «, frage ich.
    »Ja.« Sie wirft einen Blick auf das Programm. »Ich habe es letzte Woche gesehen.«
    »Oh.«
    »Es war unglaublich lustig«, sagt sie. »Sie müssen es sich unbedingt ansehen.«
    »Ja«, antworte ich. »Das hatte ich eigentlich vor.«

    »Wenn ich’s mir recht überlege«, sagt sie, »ist es wirklich ein seltsamer Zufall, dass Sie mich heute besucht haben.«
    »Ein Zufall?« Mir wird ganz kalt.
    »Sie werden nie erraten, mit wem ich im Theater war.«
    Oh, ich fürchte, das werde ich doch.
    »Alfred Steeple. Sie erinnern sich an Alfred? Aus Riverton? «
    »Ja«, stammle ich.
    »Ich hatte gar nicht damit gerechnet. Er hatte eine Eintrittskarte übrig. Jemand hatte ihn im letzten Moment versetzt. Er meinte, er habe schon allein ins Theater gehen wollen, und da sei ihm eingefallen, dass ich in London wohne. Wir waren uns vor über einem Jahr einmal zufällig über den Weg gelaufen, und er erinnerte sich noch an meine Adresse. Also sind wir zusammen hingegangen. Es wäre eine Schande gewesen, eine Eintrittskarte verfallen zu lassen. Sie wissen ja, was die heutzutage kosten.«
    Bilde ich mir ein, dass sie unter ihren sommersprossigen Wangen errötet, dass sie mit einem Mal verlegen und mädchenhaft wirkt, obwohl sie mindestens zehn Jahre älter ist als ich?
    Irgendwie schaffe ich es, ihr zum Abschied zuzunicken, als sie die Tür hinter mir schließt. In der Ferne hupt ein Auto.
    Alfred, mein Alfred, hat eine andere Frau mit ins Theater genommen. Hat mit ihr gelacht, ihr ein Abendessen spendiert, sie nach Hause begleitet.
    Ich gehe die Treppe hinunter.
    Während ich die Straßen nach ihm abgesucht habe, ist er hier gewesen und hat Miss Starling eingeladen, ihn ins Theater zu begleiten. Hat ihr die Eintrittskarte angeboten, die er für mich gekauft hatte.

    Ich bleibe stehen und lehne mich gegen die Wand. Schließe die Augen und balle die Fäuste. Es gelingt mir nicht, das Bild zu verscheuchen: die beiden Arm in Arm, während sie lächelnd die Ereignisse des Abends noch einmal an sich vorüberziehen lassen. Genau so, wie ich es mir erträumt hatte. Es ist unerträglich.
    Ein Geräusch ganz in der Nähe. Ich öffne die Augen. Die Vermieterin steht am Fuß der Treppe, die knochige Hand auf dem Geländer, fixiert sie mich mit ihren bebrillten Augen. Im Gesicht ein Ausdruck unerklärlicher Genugtuung. Natürlich ist er mit ihr ins Theater gegangen, sagt ihr Blick, wieso soll er sich mit einer wie dir abgeben, wenn er eine wie Lucy Starling haben kann? Du hast dich verschätzt, wolltest zu hoch hinaus. Du hättest auf deine Mutter hören und daran denken sollen, wo dein Platz ist.
    Am liebsten möchte ich in ihr grausames Gesicht schlagen.
    Ich eile die Treppe hinunter, laufe an der alten Frau vorbei auf die Straße.
    Und schwöre mir, Miss Lucy Starling nie wieder zu besuchen.
     
    Hannah und Teddy streiten sich über den Krieg. Anscheinend streiten sich neuerdings alle Leute in London über den Krieg. Inzwischen ist genug Zeit vergangen – wenngleich die Trauer geblieben ist, die nie vergehen wird –, und die Distanz erlaubt den Menschen eine kritischere Betrachtungsweise.
    Hannah bastelt Mohnblumen aus rotem Seidenpapier und schwarzem Draht, und ich helfe ihr dabei. Aber mit den Gedanken bin ich nicht bei der Arbeit. Ich muss immer noch an Alfred und Lucy Starling denken. Ich bin verwirrt und verärgert, aber vor allem verletzt es mich,
dass er seine Zuneigung so leicht auf eine andere übertragen konnte. Ich habe ihm einen Brief geschrieben, aber noch keine Antwort erhalten. Ich fühle mich seltsam leer, und abends im Bett muss ich immer wieder weinen. Tagsüber ist es leichter, da gelingt es mir, solche Gefühle beiseitezuschieben. Ich setze meine Dienstmädchenmaske auf und versuche, die beste Zofe zu sein, die ich nur irgend sein kann. Und das muss ich auch tun. Denn ohne Alfred ist Hannah alles, was ich habe.
    Die Mohnblumen sind Hannahs neueste Beschäftigung. Es hat etwas zu tun mit Mohnblumen auf flandrischen Feldern, sagt sie. Die Mohnblumen kommen in einem Gedicht von einem kanadischen Sanitäter vor, der den Krieg nicht überlebt hat. Mit den Mohnblumen gedenken wir in diesem Jahr der Gefallenen.
    Teddy hält das für überflüssig. Er meint, diejenigen, die im Krieg gefallen sind, haben ihr Leben für eine gute Sache geopfert, aber jetzt ist es an der Zeit, in die Zukunft zu blicken.
    »Es war kein Opfer«, sagt Hannah,

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