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Geheime Spiel

Geheime Spiel

Titel: Geheime Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: K Morton
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an meine Mutter. An die Verbitterung, die immer unter der Oberfläche geschlummert hatte, an ihre Überzeugung, ja, die Erwartung, dass ihr Leben vom Pech gezeichnet war. Das war die Mutter, an die ich mich erinnerte. Aber seit einiger Zeit wusste ich, dass sie nicht immer so gewesen war. Mrs Townsend hatte sie in liebevoller Erinnerung, und Mr Frederick, dem man es nie recht machen konnte, hatte sie gemocht.
    Aber was hatte das junge Dienstmädchen mit dem geheimnisvollen Lächeln so verändert? Die Antwort auf diese Frage, das begriff ich allmählich, war der Schlüssel zu den Geheimnissen meiner Mutter. Und ich war der Antwort dicht auf der Spur. Sie lauerte wie ein schwer zu fangender Fisch, der sich im Gewirr meiner Gedanken verborgen hielt. Ich wusste, dass sie da war, konnte sie spüren, ihre undeutliche Gestalt erkennen, aber jedes Mal, wenn ich nach ihr griff, entglitt sie mir.

    Eins war gewiss: Es hatte etwas mit meiner Geburt zu tun. So viel hatte meine Mutter mir gesagt. Und ich war davon überzeugt, dass das Gespenst meines Vaters eine Rolle spielte, der Mann, über den sie mit Alfred, aber nicht mit mir gesprochen hatte. Der Mann, den sie geliebt hatte und mit dem sie nicht hatte zusammenkommen können. Was hatte Alfred gesagt? Welche Gründe hatte er erwähnt? Seine Familie? Seine Verpflichtungen?
    »Grace.«
    Meine Tante wusste, wer er war, aber sie schwieg sich ebenso darüber aus, wie meine Mutter es getan hatte. Trotzdem wusste ich, was sie von ihm hielt. Als ich klein war, hatte ich die beiden oft genug miteinander flüstern hören, hatte mitbekommen, wie meine Tante meiner Mutter vorgeworfen hatte, sie sei auf den Falschen hereingefallen, wie sie ihr an den Kopf geworfen hatte, sie hätte sich die Suppe selbst eingebrockt, jetzt müsse sie sie auch auslöffeln, wie meine Mutter geweint hatte, wenn Tante Dee ihr tröstend auf die Schulter geklopft und gleichzeitig barsch erklärt hatte: »Es ist besser so«, »Es hätte sowieso nicht gut gehen können«, »Sei froh, dass du da weg bist«. Schon als Kind wusste ich, dass es um das vornehme Haus oben auf dem Hügel ging. Und ich wusste auch, dass Tante Dees Verachtung für meinen Vater einzig von ihrer Verachtung für Riverton übertroffen wurde. Die beiden großen Katastrophen im Leben meiner Mutter, hatte sie immer gesagt.
    »Grace.«
    Eine Verachtung, die anscheinend selbst Mr Frederick einschloss. »Nicht zu fassen«, hatte sie gesagt, als sie ihn auf dem Friedhof entdeckt hatte, »dass der es wagt, sich hier blicken zu lassen.« Ich fragte mich, woher meine Tante ihn kannte und was Mr Frederick ihr getan haben könnte, dass sie so wütend geworden war.

    Und ich fragte mich, was er dort gewollt haben mochte. Ein Dienstmädchen zu mögen war eine Sache, aber dass Seine Lordschaft auf dem Dorffriedhof aufgetaucht war, um zuzusehen, wie eine Frau zu Grabe getragen wurde, die vor langer, langer Zeit einmal für ihn gearbeitet hatte …
    »Grace.« In der Ferne, jenseits meines Gedankenwirrwarrs, sprach Alfred zu mir. Ich schaute ihn geistesabwesend an. »Ich möchte dich schon den ganzen Tag etwas fragen«, sagte er. »Und ich fürchte, wenn ich es nicht bald tue, verliere ich den Mut.«
    Und meine Mutter hatte Mr Frederick auch gemocht. »Der arme, arme Frederick«, hatte sie gesagt, als sein Vater und sein Bruder gestorben waren. Nicht arme Lady Violet oder arme Jemima. Ihr Mitgefühl hatte einzig und allein Mr Frederick gegolten.
    Aber das war verständlich, oder? Mr Frederick musste ein junger Mann gewesen sein, als meine Mutter im Haus gearbeitet hatte, es war doch ganz natürlich, dass sie sich einem Familienmitglied in ihrem Alter besonders nahe gefühlt hatte. Genauso wie ich mich Hannah besonders nahe fühlte. Außerdem schien meine Mutter Penelope, Mr Fredericks Frau, ebenso gemocht zu haben. »Frederick würde nie wieder heiraten«, hatte sie gesagt, als ich ihr erzählt hatte, dass Fanny hoffte, er würde um ihre Hand anhalten. Erst ihre Gewissheit und dann ihre Niedergeschlagenheit, als ich entgegnet hatte, es sei durchaus möglich: All das ließ sich doch nur mit ihrer Loyalität gegenüber ihrer ehemaligen Mistress erklären.
    »Ich bin nicht besonders wortgewandt, Gracie, das weißt du so gut wie ich«, sagte Alfred. »Und deswegen werde ich keine großen Umschweife machen. Ich habe dir ja erzählt, dass ich mich demnächst selbstständig machen werde …«

    Ich nickte daraufhin wohl, aber meine Gedanken waren weit weg. Der schwer

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