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Geheime Spiel

Geheime Spiel

Titel: Geheime Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: K Morton
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mehr. Was am See geschehen war, Robbies Tod und kurz darauf Emmelines, hatte sie getötet, lange bevor das Baby in ihrem Becken stecken blieb.
    Anfänglich war ich mit im Zimmer gewesen, aber als die Wehen heftiger wurden und in immer kürzeren Abständen auftraten und das Kind sich den Weg hinaus erkämpfte, wurde Hannah mehr und mehr Opfer ihrer Wahnvorstellungen. Sie starrte mich an, die Augen vor Angst und Wut geweitet, und schrie, ich solle verschwinden, es sei alles meine Schuld. Es sei nichts Ungewöhnliches, dass kreißende Frauen, vor Schmerz von Sinnen, anfingen zu halluzinieren, erklärte mir der Arzt, als er mich bat, ihrer Aufforderung nachzukommen.
    Doch ich konnte sie nicht verlassen, nicht so. Ich entfernte mich von ihrem Bett, verließ aber nicht das Zimmer. Während der Arzt das Skalpell ansetzte, sah ich von der Tür aus zu und betrachtete ihr Gesicht. Als sie ihren Kopf zurücklegte, stieß sie einen Seufzer aus, der nach tiefer Erleichterung klang. Erlösung. Sie wusste, wenn sie nicht dagegen ankämpfte, konnte sie aus dem Leben scheiden. Dann wäre alles vorüber.
    Nein, es war kein plötzlicher Tod; ganz langsam ist sie gestorben, über Monate hinweg.
     
    Ich war am Boden zerstört. In gewisser Weise hatte ich mich selbst verloren. Das passiert, wenn man sein ganzes Leben in den Dienst eines anderen Menschen stellt. Man
ist untrennbar mit diesem Menschen verbunden. Ohne Hannah hatte ich keine Aufgabe mehr.
    Aber ich war außerstande, etwas zu empfinden. Fühlte mich so leer, als hätte jemand mich wie einen sterbenden Fisch aufgeschlitzt und mir alle Eingeweide herausgerissen. Mechanisch verrichtete ich meine Pflichten, von denen mir nach Hannahs Tod ohnehin nur noch wenige geblieben waren. Einen ganzen Monat lang verharrte ich in diesem Zustand und bewegte mich gleichgültig von einem austauschbaren Ort zum andern. Bis ich Teddy eines Tages mitteilte, dass ich gehen würde.
    Er wollte, dass ich blieb; als ich ablehnte, flehte er mich an, es mir noch einmal zu überlegen, wenn schon nicht um seinetwillen, dann wenigstens Hannah zuliebe, ihrem Angedenken zuliebe. Ob ich denn nicht wüsste, wie sehr sie mich gemocht hätte? Sie würde sich gewünscht haben, dass ich Teil des Lebens ihrer Tochter wäre, Teil von Florences Leben.
    Aber ich konnte nicht, brachte es einfach nicht fertig. Ich war blind für Mr Hamiltons Missbilligung und Mrs Townsends Tränen. Ich hatte keine Vorstellung, wie meine Zukunft aussehen mochte, wusste nur, dass ihr Schauplatz nicht Riverton sein würde.
    Riverton zu verlassen, meine Stellung aufzugeben, hätte mich zu Tode geängstigt, wäre ich noch zu Gefühlen fähig gewesen. Zum Glück war ich es nicht, denn die Angst hätte über meinen Kummer gesiegt und mich für immer an das Haus auf dem Hügel gekettet. Ich kannte das Leben nur als Dienstmädchen und Zofe. Die Aussicht auf Unabhängigkeit hätte mich in Panik versetzt. Hätte mich davor zurückschrecken lassen zu reisen, selbstständig zu handeln, eigene Entscheidungen zu treffen.
    Doch ich fand eine kleine Wohnung in der Nähe des Marble Arch, und das Leben ging weiter. Ich nahm jede
Arbeit an, die ich bekommen konnte – putzte, kellnerte, nähte –, mied nach Möglichkeit menschliche Nähe, kündigte, wenn Leute zu viele Fragen stellten und mehr von mir wollten, als ich zu geben bereit war. So vergingen zehn Jahre, in denen ich, ohne es zu wissen, auf den nächsten Krieg wartete. Und auf Marcus, dessen Geburt mir das bescheren würde, was die Geburt meiner Tochter mir nicht geben konnte. Zu mir selbst zurückzufinden nach der Leere, die Hannahs Tod hinterlassen hatte.
    Während der ganzen Zeit dachte ich kaum an Riverton zurück. An all das, was ich verloren hatte.
    Oder anders ausgedrückt: Ich weigerte mich, an Riverton zu denken. Sobald ich merkte, dass ich in einem Moment der Untätigkeit in Gedanken ins Kinderzimmer wanderte, auf den Stufen in Lady Ashburys Rosengarten verharrte oder auf dem Rand des Ikarus-Brunnens balancierte, suchte ich mir schnell eine Beschäftigung, die mich ablenkte.
    Woran ich allerdings häufig dachte, war das Kind, die kleine Florence. Meine Halb-Nichte, nehme ich an. Sie war ein hübsches kleines Ding. Sie hatte Hannahs blondes Haar, aber nicht ihre Augen. Ihre waren sehr groß und tiefbraun. Vielleicht haben sie sich verändert, als sie größer wurde. Das kommt vor. Aber ich vermute, sie sind braun geblieben, wie die ihres Vaters. Denn sie war Robbies Tochter, daran gab es

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