Geheime Spiel
Bände.«
Das kann ich bestätigen.
Unser bunt zusammengewürfeltes Grüppchen folgt Beryl in den Raum und verteilt sich dort. Hälse recken sich, um die gläserne Gewölbedecke zu bewundern und die Bücherregale, die sich von dort bis zum Boden erstrecken. Robbies Picasso ist nicht mehr da. Wird wohl in irgendeinem Museum gelandet sein, denke ich. Vorbei sind die Tage, wo in jedem englischen Haus Werke großer Meister einfach so an den Wänden hingen.
Hier verbrachte Hannah nach Robbies Tod die meiste Zeit: ganze Tage zusammengekauert auf einem Sessel in der Stille der Bibliothek. Sie las nicht, saß einfach nur da. Durchlebte in Gedanken immer und immer wieder die Ereignisse der letzten Monate. Eine Zeit lang war ich die Einzige, die sie sehen wollte. Sie erzählte wie besessen von Robbie, beschrieb mir ihre Affäre in allen Einzelheiten. Jede noch so kleine Begebenheit. Und jedes Mal endete sie mit derselben Klage.
»Ich habe ihn geliebt, du weißt es, Grace«, sagte sie. So leise, dass sie kaum zu hören war.
»Ich weiß, Ma’am.«
»Ich konnte einfach nicht …« Dann schaute sie mich an, Tränen in den Augen. »Es hat einfach nicht gereicht.«
Anfangs akzeptierte Teddy, dass sie sich so abkapselte – es schien eine natürliche Reaktion zu sein auf das, was sie hatte mitansehen müssen –, doch als die Wochen vergingen, ohne dass sich ihr Zustand besserte, begann er sich doch darüber zu wundern, wie sehr es ihr an der berühmten britischen Selbstbeherrschung mangelte.
Alle hatten eine Meinung dazu, wie sie sich verhalten sollte und was man unternehmen könnte, um ihre Lebensgeister
wieder zu wecken. Eines Abends nach dem Essen gab es eine Diskussion am runden Tisch.
»Sie braucht ein neues Hobby«, verkündete Deborah und zündete sich eine Zigarette an. »Ich kann ja verstehen, dass sie unter Schock steht, nachdem dieser Mann sich vor ihren Augen erschossen hat, aber schließlich geht das Leben weiter.«
»Was denn für ein Hobby?«, fragte Teddy stirnrunzelnd.
»Ich dachte an Bridge«, erwiderte Deborah und schnippte die Asche auf einen Teller. »Eine gute Partie Bridge kann einen von nahezu allem ablenken.«
Estella, die auf Riverton geblieben war, um »ihr Teil beizutragen«, war ebenfalls der Auffassung, dass Hannah Ablenkung benötigte, hatte jedoch ihre eigene Vorstellung davon, welcher Art diese sein sollte: Sie brauchte ein Baby. Welche Frau brauchte das nicht? Ob Teddy ihr nicht dazu verhelfen könne?
Teddy meinte, er werde sein Bestes tun. Und da er Hannahs Gleichgültigkeit als Zustimmung interpretierte, tat er das auch.
Zu Estellas Entzücken erklärte der Arzt drei Monate später, Hannah sei schwanger. Doch die Hoffnung, eine Schwangerschaft würde Hannah auf andere Gedanken bringen, bestätigte sich nicht. Im Gegenteil, sie wirkte teilnahmsloser denn je. Sie erzählte mir immer weniger über ihre Affäre mit Robbie und bestellte mich schließlich gar nicht mehr in die Bibliothek. Ich war enttäuscht, aber mehr noch besorgt. Ich hatte gehofft, ihre Bekenntnisse würden sie irgendwie aus ihrem selbst gewählten inneren Exil erlösen. Dass sie, indem sie mir alles über ihre Affäre mit Robbie erzählte, wieder zu uns zurückfinden würde. Aber es sollte nicht sein.
Stattdessen zog sie sich auch von mir immer mehr zurück; sie begann, sich allein anzuziehen, mir merkwürdige, beinahe feindselige Blicke zuzuwerfen, sobald ich ihr meine Hilfe anbot. Ich redete auf sie ein, beschwor sie zu begreifen, dass es nicht ihre Schuld war, dass sie ihn nicht hatte retten können, doch sie starrte mich nur blicklos an. Als wüsste sie nicht, wovon ich redete, oder schlimmer noch, als unterstellte sie mir unlautere Absichten.
In jenen letzten Monaten wandelte sie wie ein Geist durchs Haus. Nancy meinte, es sei beinahe, als wäre Mr Frederick wieder da. Teddy machte sich immer größere Sorgen. Schließlich ging es jetzt nicht mehr allein um Hannah. Sein Kind, sein Sohn, der Erbe der Luxtons hatte etwas Besseres verdient. Er ließ einen Arzt nach dem anderen kommen. Doch die Ärzte, frisch zurück aus dem Krieg, gelangten übereinstimmend zu der Diagnose, dass Hannah unter Schock stand, eine normale Reaktion, meinten sie, nach allem, was sie durchgemacht habe.
Einer von ihnen nahm Teddy nach der Untersuchung beiseite und sagte: »Zweifellos Schock. Sehr interessanter Fall; völlig abgekapselt von ihrer Umwelt.«
»Wie kriegen wir das wieder hin?«, fragte Teddy.
Der Arzt schüttelte
Weitere Kostenlose Bücher