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Geheime Spiel

Geheime Spiel

Titel: Geheime Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: K Morton
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könnte.«
    Er schaute uns alle der Reihe nach an.
    »Haben Sie mich verstanden?«
    Mr Hamilton nahm Haltung an. »Sehr wohl. Ja, Sir.«
    »Gut«, sagte Teddy. Er nickte einige Male kurz, kam zu dem Schluss, dass es nichts weiter zu sagen gab, und ging mit einem bitteren Lächeln wieder nach oben.
    Nachdem Teddy verschwunden war, drehte sich Mrs Townsend mit großen Augen zu Mr Hamilton um. »Aber … soll das heißen, wir dürfen Miss Hannah überhaupt nichts sagen?«
    »Sieht ganz so aus, Mrs Townsend«, erwiderte Mr Hamilton. »Zumindest vorerst nicht.«
    »Aber der Tod ihrer eigenen Schwester …«
    »So lautet die Anweisung, Mrs Townsend.« Mr Hamilton atmete hörbar aus und rieb sich den Nasenrücken. »Mr Luxton ist der Hausherr, so wie Mr Frederick es vor ihm war.«
    Mrs Townsend öffnete den Mund, um etwas zu entgegnen, aber Mr Hamilton schnitt ihr das Wort ab. »Sie
wissen ebenso wie ich, dass die Anweisungen des Hausherrn zu befolgen sind.« Er nahm die Brille ab und putzte sie mit grimmigem Blick. »Gleichgültig, was wir von ihnen halten. Oder von ihm.«
    Später, als Mr Hamilton oben das Abendessen auftrug, setzten sich Mrs Townsend und Nancy zu mir an den Tisch im Dienstbotenzimmer, wo ich gerade dabei war, Hannahs silberfarbenes Kleid zu flicken. Mrs. Townsend auf der einen, Nancy auf der anderen Seite. Wie zwei Wachleute, die mich zum Galgen begleiten sollten.
    Mit einem Blick zur Treppe sagte Nancy: »Du musst es ihr sagen.«
    Mrs Townsend schüttelte den Kopf. »Es ist nicht recht. Ihre eigene Schwester. Sie sollte es wissen.«
    Ich steckte die Nadel in die Spule mit dem Silbergarn und legte das Kleid zur Seite.
    »Du bist ihre Zofe«, sagte Nancy. »Sie mag dich. Du musst es ihr sagen.«
    »Ich weiß«, sagte ich ruhig. »Ich werde es tun.«
    Am nächsten Morgen traf ich sie wie erwartet in der Bibliothek an. Sie saß in einem Sessel am anderen Ende des Raums und schaute durch die hohen Glastüren zum Friedhof hinüber. Sie war so konzentriert auf irgendetwas in der Ferne, dass sie mich nicht kommen hörte. Ich trat hinter den ihr gegenüberstehenden Sessel. Das Licht der Morgensonne, das durchs Fenster fiel, verlieh ihrem Profil etwas beinahe Ätherisches.
    »Ma’am?«, sagte ich leise.
    Ohne mich anzusehen sagte sie: »Du bist gekommen, um mir von Emmeline zu erzählen.«
    Ich schwieg überrascht und fragte mich, woher sie das wusste. »Ja, Ma’am.«
    »Ich wusste, dass du es mir sagen würdest. Obwohl er dich aufgefordert hat, es nicht zu tun. Ich kenne dich
sehr gut nach all den Jahren, Grace.« Ihr Tonfall war schwer zu deuten.
    »Es tut mir leid, Ma’am. Wegen Miss Emmeline.«
    Sie nickte kaum merklich, den Blick immer noch auf jenen fernen Punkt auf dem Friedhof geheftet. Ich wartete eine Weile ab, und als ich begriff, dass sie allein sein wollte, fragte ich sie, ob ich ihr irgendetwas bringen könne. Vielleicht Tee? Oder ein Buch? Sie antwortete nicht gleich, schien mich nicht gehört zu haben. Dann plötzlich, wie aus heiterem Himmel, sagte sie: »Du kannst Stenografie gar nicht lesen.«
    Es war eine Feststellung, keine Frage, und so erwiderte ich nichts.
    Später fand ich heraus, was sie gemeint hatte, warum sie in diesem Augenblick von Kurzschrift gesprochen hatte. Aber bis dahin sollten noch viele Jahre vergehen. An jenem Morgen ahnte ich noch nicht, welche Rolle meine Täuschung gespielt hatte.
    Sie verlagerte ihr Gewicht, zog ihre langen, nackten Beine näher an den Sessel heran. Immer noch mied sie meinen Blick. »Du kannst gehen, Grace«, sagte sie so kühl, dass es mir die Tränen in die Augen trieb.
    Es gab nichts, was ich noch hätte sagen können. Ich nickte und verließ die Bibliothek, ohne zu ahnen, dass dieses Gespräch unser letztes sein sollte.
     
    Beryl führt uns in das Zimmer, das Hannah zum Schluss bewohnt hat. Anfangs habe ich Zweifel, ob ich das wohl durchhalten werde. Aber das Zimmer sieht jetzt anders aus. Man hat es neu gestrichen und mit viktorianischen Möbeln eingerichtet, die nicht zu den ursprünglichen auf Riverton gehörten. Das Bett ist nicht das, auf dem Hannahs Kind geboren wurde.
    Die meisten Leute glaubten, die Geburt sei die Ursache
für ihren Tod gewesen, genauso wie bei ihrer Mutter, die Emmelines Geburt nicht überlebt hatte. So plötzlich, sagten sie kopfschüttelnd. So traurig. Ich aber wusste es besser. Es war eine bequeme Erklärung, die sehr gelegen kam. Es stimmt, die Geburt war nicht leicht, aber Hannah hatte auch keinen Lebenswillen

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