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Geheime Spiel

Geheime Spiel

Titel: Geheime Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: K Morton
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die Leiter zum Baum und stellten sie zwischen all das zerknüllte Papier, das auf dem Boden verstreut lag.
    »Uuh.« Den Engel in der Hand stieg Emmeline kichernd die Leiter hinauf. »Wie Jack, der an seiner Bohnenstange hochklettert.«
    Auf der vorletzten Sprosse blieb sie stehen, dann streckte sie die Hand mit dem Engel nach der Tannenspitze aus, konnte sie jedoch nicht erreichen.
    »Oje«, sagte sie atemlos. Sie schaute zu den nach oben gerichteten Gesichtern hinunter. »Fast. Noch eine Sprosse.«
    »Sei vorsichtig«, sagte David. »Kannst du dich irgendwo festhalten?«

    Sie griff zuerst mit der freien, dann mit der anderen Hand nach einem dünnen Tannenzweig, dann hob sie ganz langsam den linken Fuß und setzte ihn auf die oberste Sprosse.
    Mit angehaltenem Atem sah ich zu, wie sie den zweiten Fuß hob. Triumphierend grinsend streckte sie ihre Hand aus, um den Engel auf die Spitze zu stecken, dann begegneten sich unsere Blicke. Sie schaute mich verblüfft an, dann riss sie erschrocken die Augen auf, im selben Moment rutschte ihr Fuß ab und sie verlor das Gleichgewicht.
    Ich öffnete den Mund, um sie zu warnen, aber es war zu spät. Mit einem Schrei, der mir eine Gänsehaut über den Rücken jagte, stürzte sie wie eine Stoffpuppe von der Leiter und landete wie ein Knäuel aus weißen Röcken mitten in dem Papierhaufen.
    Der Raum schien sich auszubreiten. Einen Augenblick lang rührte sich nichts und niemand. Dann plötzlich geriet alles in Bewegung, Panik breitete sich aus.
    David nahm Emmeline in die Arme. »Emmeline? Alles in Ordnung, Kleines?« Er schaute auf den Boden, wo der Rauschgoldengel lag, die gläsernen Flügel blutig rot. »O Gott, sie hat sich geschnitten.«
    Hannah fiel auf die Knie. »Ihr Handgelenk.« Sie sah sich um, erblickte Robbie. »Schnell, holen Sie Hilfe.«
    Mit pochendem Herzen rannte ich die Treppe hinunter. »Ich gehe schon, Miss«, sagte ich und lief aus der Tür.
    Ich rannte den Korridor hinunter, vor mir das Bild von Emmelines reglosem Körper. Jeder Atemzug war wie ein Vorwurf. Es war meine Schuld, dass sie gestürzt war. Das Allerletzte, was sie zu sehen erwartete, als sie die Spitze des Baums erreichte, war mein Gesicht. Wenn ich nicht so neugierig gewesen wäre, wenn ich sie nicht überrascht hätte …

    Am Fuß der Treppe wäre ich beinahe mit Nancy zusammengestoßen.
    »Vorsicht«, schalt sie mich.
    »Nancy«, keuchte ich. »Du musst helfen. Sie blutet.«
    »Ich verstehe kein Wort von dem, was du da brabbelst«, sagte Nancy verärgert. »Wer blutet?«
    »Miss Emmeline«, sagte ich. »In der Bibliothek … Sie ist gestürzt … Von der Leiter … Master David und Robert Hunter …«
    »Ich hätt’s mir denken können!« Nancy drehte sich auf dem Absatz um und eilte in Richtung Dienstbotentrakt. »Dieser Bursche! Ich hatte von Anfang an ein ungutes Gefühl. Unangemeldet hier hereinzuschneien. So was tut man einfach nicht.«
    Ich versuchte, ihr zu erklären, dass Robbie Hunter nichts mit dem Unfall zu tun hatte, aber Nancy wollte nichts davon hören. Sie eilte die Treppe hinunter, lief in die Küche und nahm den Erste-Hilfe-Kasten vom Regal. »Nach meiner Erfahrung machen Kerle, die so aussehen, nur Ärger.«
    »Aber, Nancy, es war nicht seine Schuld …«
    »Nicht seine Schuld?«, wiederholte Nancy. »Er ist eben erst angekommen, und sieh dir an, was passiert ist.«
    Ich gab es auf, ihn zu verteidigen. Ich war immer noch atemlos vom schnellen Laufen, und wenn Nancy sich erst einmal eine Meinung gebildet hatte, konnte ich nichts mehr dagegen ausrichten.
    Nancy schnappte sich ein Desinfektionsmittel und Verbandszeug und eilte zurück nach oben. Ich hatte Mühe, ihrer mageren, sehnigen Gestalt zu folgen, während ihre schwarzen Schuhe vorwurfsvoll über den Steinboden klapperten. Nancy würde alles wieder in Ordnung bringen; sie kannte sich mit solchen Dingen aus.

    Aber als wir in der Bibliothek ankamen, brauchten wir nicht mehr einzugreifen.
    Emmeline saß mitten auf der Chaiselongue, ein tapferes Lächeln auf den Lippen. Ihre Geschwister saßen rechts und links neben ihr, und David streichelte ihren unverletzten Arm. Ihr blutendes Handgelenk war mit einem Streifen weißen Stoffs verbunden – den jemand von ihrer Schürze abgerissen hatte, wie mir auffiel – und lag in ihrem Schoß. Robbie Hunter stand in der Nähe, doch er gehörte irgendwie nicht dazu.
    »Alles in Ordnung«, verkündete Emmeline, als wir eintraten. »Mr Hunter hat mir den Arm verbunden.« Sie schaute

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