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Geheime Spiel

Geheime Spiel

Titel: Geheime Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: K Morton
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Alfreds Blick auf mir.
    »Du wirst doch nicht vergessen, mir zu schreiben, Gracie?«
    Ich schüttelte den Kopf, schaute ihm in die Augen. »Nein, Alfred, ich werde es nicht vergessen.«
    »Das möchte ich dir auch nicht geraten haben«, sagte er lächelnd. »Sonst bekommst du nämlich Ärger, wenn ich zurückkomme.« Etwas ernster fügte er hinzu: »Du wirst mir fehlen.« Dann schaute er Nancy und Katie an. »Ihr werdet mir alle fehlen.«
    »Ach, Alfred«, rief Katie aufgeregt. »Sieh dir bloß die anderen Burschen an. Sie sehen so fesch aus in ihren neuen Uniformen. Gehören die auch alle zu den Saffron Lads?«
    Während Alfred ihr ein paar von den jungen Männern zeigte, die er im Rekrutierungsbüro kennengelernt hatte, schaute ich noch einmal zum Ende des Bahnsteigs hinüber, sah, wie Emmeline jemandem zuwinkte und
dann davonlief. Zwei der jungen Offiziere drehten sich um, sodass ich ihre Gesichter erkennen konnte. David und Robert Hunter. Wo war Hannah? Ich reckte den Hals und suchte die Menge nach ihr ab. Sie hatte sich den ganzen Winter über so gut es ging von David und Robbie ferngehalten, aber sie würde sich doch sicherlich von ihrem Bruder verabschieden, wenn er in den Krieg zog?
    »… und das ist Rufus«, sagte Alfred und deutete auf einen mageren Soldaten mit langen Zähnen. »Sein Vater ist Lumpensammler. Rufus hat ihm immer geholfen, aber er meint, bei der Army hat er größere Chancen, regelmäßig was Anständiges zu essen zu bekommen.«
    »Das ist gut möglich«, meinte Nancy, »wenn man der Sohn eines Lumpensammlers ist. Aber auf Riverton kannst du dich über das Essen wirklich nicht beklagen.«
    »O nein«, erwiderte Alfred, »das kann ich weiß Gott nicht. Mrs T. und die Herrschaften sorgen wirklich gut für uns.« Er lächelte. »Aber ich muss gestehen, dass mir die Decke auf den Kopf fällt, wenn ich mich zu lange im Haus aufhalte. Ich freue mich darauf, eine Zeit lang in der freien Natur zu leben.«
    Ein Flugzeug dröhnte über unseren Köpfen dahin, eine Blériot XI-2, wie Alfred uns erklärte, während die Leute auf dem Bahnsteig in laute Jubelrufe ausbrachen. Eine Welle der Erregung erfasste uns alle. Der Schaffner, in der Ferne als schwarz-weißer Fleck zu erkennen, blies in seine Trillerpfeife, hob sein Megafon und forderte alle Passagiere auf einzusteigen.
    »Tja«, sagte Alfred mit einem zuversichtlichen Lächeln. »Dann wollen wir mal.«
    Am Ende des Bahnsteigs tauchte eine Gestalt auf. Hannah. Sie schaute sich suchend um, entdeckte David, winkte zögernd. Dann schob sie sich durch die Menge
und blieb erst stehen, als sie ihren Bruder erreichte. Nachdem sie ihn einen Moment lang wortlos angesehen hatte, nahm sie etwas aus ihrer Tasche und reichte es ihm. Ich wusste, was es war. Ich hatte es am Morgen auf ihrer Kommode liegen sehen: Die Überquerung des Rubikon . Es war eins von den winzigen Büchern aus der chinesischen Kiste, eins ihrer Lieblingsabenteuer, detailreich beschrieben, mit vielen Bildern illustriert und buntem Faden gebunden. Sie hatte es in einen Umschlag gesteckt und mit einer Schleife verschnürt.
    David betrachtete erst das Päckchen, dann Hannah. Er schob das Geschenk in seine Brusttasche, klopfte mit der Hand darauf, nahm dann Hannahs Hände und drückte sie ganz fest; er machte den Eindruck, als hätte er sie am liebsten umarmt und geküsst, aber diese Art Umgang miteinander waren sie nicht gewohnt. Also ließ er es sein. Doch er beugte sich vor und flüsterte ihr etwas ins Ohr. Sie schauten beide zu Emmeline hinüber, und Hannah nickte.
    Dann drehte David sich um und sagte etwas zu Robbie. Als er sich wieder Hannah zuwandte, begann sie, in ihrer Handtasche zu kramen. Offenbar suchte sie nach etwas. Vielleicht hatte David sie gebeten, Robbie ebenfalls einen Glücksbringer mitzugeben.
    Alfreds Stimme dicht an meinem Ohr lenkte mich von ihnen ab. »Auf Wiedersehen, Gracie«, sagte er so nah, dass ich seinen Atem am Hals spürte. »Vielen, vielen Dank für die Socken.«
    Ich fasste mir ans Ohr, das noch warm war von seinen Worten, während Alfred seinen Tornister schulterte und zum Zug ging. Beim Einsteigen drehte er sich noch einmal um, lächelte uns über die Köpfe der anderen hinweg zu und rief: »Wünscht mir Glück!« Dann war er verschwunden, in den Waggon geschoben von
den anderen, die es nicht erwarten konnten, in den Zug zu gelangen.
    Ich reckte meinen Arm hoch und winkte. »Viel Glück!«, rief ich den Rücken der fremden Männer zu und spürte plötzlich,

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