Geheime Spiel
läuft ihnen nach.
Vollständiger Bericht über den tragischen Tod von Captain David Hartford
Oktober 1917
Werter Lord Ashbury,
es ist mir eine schreckliche Pflicht, Ihnen die traurige Nachricht vom Tod Ihres Sohnes David zu übermitteln. Ich weiß, dass Worte in solchen Situationen kein Leid lindern können, aber als direkter Vorgesetzter Ihres Sohnes und als ein Mann, der Ihren Sohn kannte und bewunderte, möchte ich Ihnen mein tief empfundenes Beileid aussprechen.
Außerdem möchte ich Ihnen von den heroischen Umständen berichten, unter denen Ihr Sohn ums Leben gekommen ist, in der Hoffnung, dass es Ihnen und Ihrer Familie zum Trost gereiche zu wissen, dass er wie ein Gentleman und Soldat gelebt hat und gefallen ist. An dem Abend, als er den Tod fand, führte er einen Stoßtrupp, der den äußerst wichtigen Auftrag hatte, die Position des Feindes zu erkunden.
Die Männer, die Ihren Sohn begleiteten, haben mir berichtet, dass sie bei der Rückkehr von ihrer Mission am 12. Oktober zwischen drei und vier Uhr morgens unter schweren Beschuss geraten sind. Während dieses Angriffs mussten sie mit Entsetzen den Verlust ihres Captains David Hartford erleben. Er wurde von einer Gewehrkugel tödlich getroffen, und unser einziger Trost ist, dass er keine Schmerzen erlitten hat.
Captain David Hartford wurde im Morgengrauen nördlich von Passchendaele beerdigt, ein Dorf, das für immer in der glorreichen Geschichte der britischen Armee in Erinnerung bleiben wird. Es wird Sie freuen zu
erfahren, dass wir aufgrund der hervorragenden Leistung Ihres Sohnes bei seiner letzten Mission in der Lage waren, eine für uns kritische Situation zu unseren Gunsten zu wenden.
Sollte ich irgendetwas für Sie tun können, stehe ich Ihnen selbstverständlich jederzeit zur Verfügung.
Mit vorzüglicher Hochachtung verbleibe ich
Ihr ergebener
Lieutenant Colonel Lloyd Auden Thomas
Die Fotografie
E s ist ein wunderschöner Märzmorgen. Die rosafarbenen Gartennelken unter meinem Fenster sind aufgeblüht und erfüllen das Zimmer mit ihrem süßen Duft. Wenn ich mich auf die Fensterbank lehne und ins Beet hinunterschaue, kann ich die äußeren Blütenblätter sehen, die in der Sonne leuchten. Als Nächstes werden die Pfirsichbäume blühen, dann der Jasmin. Es ist jedes Jahr dasselbe, und es wird bis in alle Ewigkeit so weitergehen. Noch lange, nachdem ich nicht mehr da bin und mich an den Blüten erfreuen kann. Ewig frisch, ewig hoffnungsvoll, immer wieder einfallsreich.
Ich habe über meine Mutter nachgedacht. Über das Foto in Lady Violets Familienalbum. Denn ich habe es mir angeschaut. Einige Monate nachdem Hannah an jenem Sommertag am Brunnen davon gesprochen hatte.
Es war im September 1916. Mr Frederick hatte das Anwesen seines Vaters geerbt, Lady Violet (nach Nancys Aussage stilvoll wie gewohnt) hatte Riverton geräumt und war in ihre Londoner Stadtvilla gezogen, und die Hartford-Mädchen waren auf unbestimmte Zeit zu ihr geschickt worden, um ihr beim Einräumen zu helfen.
In jenem Jahr gab es nur wenige Dienstboten im Haus – Nancy hatte mehr denn je im Dorf zu tun, und Alfred, auf den ich mich so gefreut hatte, hatte im letzten
Moment doch keinen Urlaub bekommen. Wir konnten das nicht verstehen: Er war in England, in seinen Briefen versicherte er uns, dass er nicht verwundet war, und dennoch musste er seinen Urlaub in einem Militärkrankenhaus verbringen. Selbst Mr Hamilton wusste nicht, was er davon halten sollte. Er dachte lange darüber nach, saß in seinem Anrichtezimmer und brütete über Alfreds Brief, bis er schließlich wieder auftauchte, sich die Augen rieb und seine Meinung kundtat. Die einzige Erklärung, so meinte er, sei die, dass Alfred eine geheime Mission auszuführen hatte, über die er nicht sprechen dürfe. Das leuchtete uns allen ein, denn wie sonst sollten wir uns erklären, dass ein Mann, der nicht verwundet war, in einem Krankenhaus untergebracht wurde?
Und damit war das Thema erledigt. Es wurde kaum noch darüber gesprochen, und im Frühherbst 1916, als das Laub von den Bäumen fiel und die Erde hart wurde, um sich gegen den bevorstehenden Frost zu wappnen, befand ich mich eines Tages ganz allein im Salon von Riverton.
Ich hatte den Kamin gesäubert und das Feuer geschürt und war fast fertig mit dem Staubwischen. Ich fuhr mit dem Staubtuch über den Schreibtisch, wischte über die Ränder, begann dann, die Schubladengriffe aus Messing zu polieren. Es war eine Arbeit, die ich jeden
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