Geheime Spiel
Güte, sehen Sie mich nur an. Tut mir leid, dass ich Ihnen das zumute, Grace.«
»Sie entschuldigen sich schon wieder. Ich bitte Sie, endlich damit aufzuhören.«
Auf dem Flur sind Schritte zu hören. Ursula wirft einen Blick in Richtung Tür, putzt sich die Nase. »Dann möchte ich mich wenigstens bedanken. Dafür, dass Sie
uns empfangen haben. Und mit Keira gesprochen haben. Und mir zugehört haben.«
»Es war mir ein Vergnügen«, sage ich und wundere mich selbst darüber, dass ich es wirklich aufrichtig meine. »Ich bekomme nicht oft Besuch.«
Die Tür wird geöffnet, und Ursula steht auf. Beugt sich vor und drückt mir einen Kuss auf die Wange. »Ich komme bald wieder«, sagt sie und drückt mir zärtlich die Hand.
Aus unerfindlichen Gründen bin ich glücklich.
Drehbuch
Endgültige Fassung, November 1998, Seiten 43 – 54
NEBELSCHWADEN
Buch und Regie Ursula Ryan © 1998
Untertitel: In der Nähe von Passchendaele, Belgien. Oktober 1917
45. Innenaufnahme: Leer stehendes Bauernhaus – Abend Die Nacht bricht herein, und es regnet heftig. Drei junge Soldaten in verdreckten Uniformen suchen Zuflucht in den Ruinen eines belgischen Bauernhauses. Sie sind den ganzen Tag lang marschiert, nachdem sie bei einem verzweifelten Rückzugsgefecht von ihrer Division getrennt wurden. Sie sind müde und demoralisiert. Das Bauernhaus, in dem sie Schutz suchen, ist dasselbe, in dem sie einen Monat zuvor auf dem Weg an die Front einquartiert waren. Die Familie Duchesne ist geflohen, als die Kämpfe das Dorf erreichten.
Eine einzelne Kerze flackert auf dem nackten Holzboden und wirft spitze Schatten an die Wände der verlassenen Küche. Einzelne Gegenstände erinnern an das Leben im Haus: eine Kasserolle in der Spüle, über dem Herd eine dünne Leine mit Wäsche, ein hölzernes Kinderspielzeug.
Einer der Soldaten – ein australischer Infanterist namens FRED – hockt mit dem Gewehr unter dem Arm neben dem Loch in der Wand, wo einmal eine Tür gewesen ist. Regen prasselt auf den schon aufgeweichten Boden, füllt die Gräben, bis sie überlaufen.
Eine Ratte taucht auf und schnüffelt an einem großen, dunklen Fleck an der Uniform des Soldaten. Es ist schwarzes, eingetrocknetes Blut.
In der Küche sitzt ein Offizier auf dem Boden, den Rücken gegen ein Tischbein gelehnt. DAVID HARTFORD hält einen Brief in der Hand; an den zerknitterten Ecken und den Flecken kann man erkennen, dass er schon oft gelesen wurde. Neben seinem ausgestreckten Bein schläft der magere Hund, der den Männern den ganzen Tag gefolgt ist.
Der dritte Mann, ROBBIE HUNTER, kommt aus einem Zimmer. Er bringt ein Grammofon, ein paar Decken und einen Stapel Schallplatten mit. Er stellt alles auf dem Küchentisch ab und beginnt, die Küchenschränke zu durchsuchen. Ganz hinten in der Vorratskammer findet er etwas. Er dreht sich um, und die Kamera fährt näher heran. Er ist dünner geworden. Ernüchterung und Lebensüberdruss haben ihn ernst gemacht. Er hat dunkle Ringe unter den Augen, und seine Haare sind von dem langen Marsch durch schlechtes Wetter zerzaust. Zwischen seinen Lippen klemmt eine Zigarette.
DAVID (ohne sich umzudrehen)
Hast du was gefunden?
ROBBIE
Brot – steinhart, aber Brot.
DAVID
Sonst noch was? Irgendwas zu trinken?
ROBBIE (nach kurzem Zögern)
Musik. Ich hab Musik gefunden.
DAVID dreht sich um, sieht das Grammofon. Sein Gesichtsausdruck ist schwer zu deuten: eine Mischung aus Freude und Traurigkeit. Unser Blick wandert von seinem Gesicht über seinen Arm hin zu seinen Händen. An den Fingern einer Hand trägt er einen provisorischen, verschmutzten Verband.
DAVID
Na dann … Worauf wartest du noch?
ROBBIE legt eine Platte auf das Grammofon, und kratzige Musik ertönt.
Musik: Debussys »Claire de Lune«
ROBBIE geht zu DAVID, die Decken und das Brot unter dem Arm. Er bewegt sich vorsichtig und setzt sich langsam auf den Boden: Beim Einsturz des Schützengrabens hat er sich schwerer verletzt, als er sich anmerken lässt. DAVID hat die Augen geschlossen.
ROBBIE nimmt ein Taschenmesser aus seinem Tornister und macht sich an die schwierige Aufgabe, das trockene Brot in Stücke zu teilen. Nachdem er es geschafft hat, legt er ein Stück neben DAVID auf den Boden. Ein weiteres wirft er FRED zu, der immer noch neben der Tür hockt. FRED versucht gierig, etwas davon abzubeißen.
ROBBIE, immer noch mit der Zigarette im Mund, bietet
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