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Geheime Spiel

Geheime Spiel

Titel: Geheime Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: K Morton
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gewöhnt, so viele Worte in schneller Folge zu sprechen. Mit zittriger Stimme fuhr ich fort: »Ich war auf einmal regelrecht davon besessen, die Vergangenheit zu entdecken. Mich der Vergangenheit zu stellen.«

    Ursula lächelte, ihre dunklen Augen leuchteten. »Ich weiß genau, was Sie meinen. Deswegen drehe ich historische Filme. Um die Vergangenheit zu entdecken und sie neu zu erschaffen.«
    »Ja«, sagte ich. So hatte ich das noch gar nicht gesehen.
    Ursula schüttelte den Kopf. »Ich bewundere Sie, Grace. Sie haben so viel aus Ihrem Leben gemacht.«
    »Das ist eine Illusion aus heutiger Sicht«, sagte ich achselzuckend. »Man braucht jemandem nur mehr Zeit zu geben, und schon sieht es so aus, als hätte er mehr aus seinem Leben gemacht.«
    Sie lachte. »Sie sind zu bescheiden. Es wird nicht leicht gewesen sein. Eine Frau von Mitte fünfzig – eine Mutter – , die ein Universitätsstudium absolviert. Hat Ihr Mann Sie unterstützt?«
    »Damals lebte ich schon allein.«
    Ihre Augen weiteten sich. »Aber wie haben Sie das geschafft? «
    »Ich habe lange Zeit nur halbe Tage studiert. Ruth war tagsüber in der Schule, und ich hatte eine sehr hilfsbereite Nachbarin, Mrs Finbar, die abends oft auf sie aufgepasst hat, wenn ich arbeiten musste.« Ich zögerte. »Ich hatte Glück, dass das Schulgeld bezahlt wurde.«
    »Hatten Sie ein Stipendium?«
    »In gewisser Weise. Ich war unerwartet zu Geld gekommen. «
    »Ihr Mann«, fragte Ursula mitfühlend. »Er ist im Krieg gefallen?«
    »Nein«, antwortete ich. »Nein, er ist nicht gefallen. Aber unsere Ehe ist in die Brüche gegangen.«
    Ihr Blick wanderte noch einmal zu dem Hochzeitsfoto.
    »Wir haben uns scheiden lassen, als ich nach London zurückkam. Die Zeiten hatten sich geändert. Jeder hatte
so vieles gesehen und erlebt. Es schien auf einmal ziemlich sinnlos, mit einem Ehepartner zusammenzubleiben, den man nicht liebt. Er ist nach Amerika gezogen und hat die Schwester eines GI geheiratet, den er in Frankreich kennengelernt hatte. Der arme Kerl. Kurz darauf ist er bei einem Autounfall ums Leben gekommen.«
    Sie schüttelte den Kopf. »Das tut mir leid …«
    »Das braucht es nicht. Nicht meinetwegen. Es ist so lange her. Ich kann mich kaum noch an ihn erinnern, wissen Sie. Nur Erinnerungsfetzen, als stammten sie aus Träumen. Ruth fehlt er sehr. Sie hat mir nie verziehen.«
    »Sie wünscht sich, Sie wären zusammengeblieben.«
    Ich nickte. Meine Unfähigkeit, ihr einen Vater zu bieten, ist eins der Themen, das unser Verhältnis seit jeher belastet.
    Ursula seufzte. »Wer weiß, vielleicht wird Finn mir das eines Tages auch vorwerfen.«
    »Sie und sein Vater …?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Es hätte nicht funktioniert.« Das kam so bestimmt, dass ich lieber nicht weiter nachfragte. »Finn und mir geht es so besser.«
    »Wo ist er heute?«, fragte ich. »Finn, meine ich?«
    »Meine Mutter kümmert sich um ihn. Als ich zuletzt mit ihr gesprochen habe, wollten sie in den Park gehen und Eis essen.« Sie drehte ihre Armbanduhr um ihr Handgelenk, um die Uhrzeit abzulesen. »Meine Güte! Ich hab gar nicht gemerkt, wie spät es schon ist. Ich mache mich lieber auf den Weg, um sie abzulösen.«
    »Ich glaube nicht, dass sie dringend darauf wartet. Das Verhältnis zwischen Großeltern und Enkelkindern ist etwas ganz Besonderes. Es ist viel einfacher.«
    Ob das immer so ist? Ich glaube schon. Das eigene Kind nimmt einem ein Stück des Herzens, um es zu benutzen oder zu missbrauchen, aber ein Enkelkind ist anders.
Keine Schuldgefühle und keine Verantwortung, die die Mutter-Kind-Beziehung belasten. Man fühlt sich frei zu lieben.
    Als du geboren wurdest, Marcus, hat es mich glatt umgehauen. Ich war so überrascht über meine Gefühle. Teile von mir, die seit Jahrzehnten ausgeschaltet waren und ohne die zu leben ich gelernt hatte, erwachten zu neuem Leben. Du warst mein größter Schatz. Ein Geschenk des Himmels. Ich liebte dich mit einer beinahe schmerzlichen Inbrunst.
    Als du größer warst, wurdest du mein kleiner Freund. Du hast mir immer am Rockzipfel gehangen, hast deinen Platz in meinem Arbeitszimmer beansprucht und dich darangemacht, die Karten und Zeichnungen zu studieren, die ich auf meinen Reisen gesammelt hatte. Du hast mir Löcher in den Bauch gefragt, und ich wurde es nie müde, deine Fragen zu beantworten. Ja, ich bilde mir tatsächlich ein, meinen Teil dazu beigetragen zu haben, dass du so ein wunderbarer, erfolgreicher Mann geworden bist …
    »Sie müssen doch

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