Geheime Spiel
und wem
nicht. Ich sage ja nicht, dass sie keinen Profit dabei machen, aber so ist das nun mal bei Geschäftsdingen.«
Mrs Townsend schnaubte verächtlich.
»Hoffen wir, dass sie Lord Ashbury den Kredit geben, den er braucht«, sagte Nancy. »Ein bisschen Geld würde uns allen hier zugutekommen, wenn Sie mich fragen.«
Mr Hamilton straffte sich und warf mir einen strengen Blick zu, obwohl ich gar nichts gesagt hatte. Nancy hatte sich im Lauf des Krieges durch das viele Arbeiten außer Haus verändert. Sie versah ihre Pflichten so gründlich wie immer, aber wenn wir im Dienstbotenzimmer am Tisch saßen und uns über Gott und die Welt unterhielten, fand sie nichts mehr dabei, zu widersprechen oder Dinge infrage zu stellen. Ich dagegen war noch nicht verdorben durch äußere Einflüsse, und wie ein Schäfer, der lieber ein Schaf opfert, als den Verlust der ganzen Herde zu riskieren, war Mr Hamilton entschlossen, mich ganz besonders im Auge zu behalten. »Ich wundere mich über dich, Nancy«, sagte er, ohne seinen Blick von mir abzuwenden. »Du weißt, dass es uns nicht zusteht, die geschäftlichen Entscheidungen von Lord Ashbury infrage zu stellen.«
»Tut mir leid, Mr. Hamilton«, erwiderte Nancy, ohne Reue zu zeigen. »Ich weiß nur eins: Seit Mr. Frederick nach Riverton gekommen ist, verschließt er ein Zimmer nach dem anderen, und zwar schneller, als ich schauen kann. Ganz zu schweigen von all den Möbeln aus dem Westflügel, die er verkauft hat. Der Mahagoni-Schreibtisch zum Beispiel und Lady Ashburys dänisches Himmelbett aus Ahornholz.« Sie schaute mich über ihr Poliertuch hinweg an. »Dudley sagt, die meisten Pferde sollen auch verkauft werden.«
»Seine Lordschaft ist nur umsichtig«, entgegnete Mr Hamilton, diesmal an Nancy gewandt, um besser
argumentieren zu können. »Die Zimmer im Westflügel wurden geschlossen, weil die kleine Grace die Arbeit nicht allein bewältigen konnte, während du bei der Bahn gearbeitet hast und Alfred im Krieg war. Und was die Stallungen angeht: Wozu braucht Seine Lordschaft so viele Pferde, wo er doch die schönen Automobile hat?«
Er ließ die Frage in der kühlen Winterluft hängen, nahm seine Brille ab, hauchte die Gläser an und säuberte sie mit theatralisch triumphierender Geste.
»Wenn ihr es unbedingt wissen wollt«, fuhr er fort, nachdem er seinen Auftritt ausgekostet und die Brille wieder auf die Nase gesetzt hatte, »die Stallungen sollen in eine Garage umgebaut werden. Die größte in ganz England.«
Nancy war wie vom Donner gerührt. »Trotzdem«, sagte sie leise. »Ich hab im Dorf Gerüchte gehört …«
»Unsinn«, sagte Mr Hamilton.
»Was für Gerüchte?«, wollte Mrs Townsend wissen, deren Busen sich beim Teigrollen hob und senkte. »Neuigkeiten über die Geschäfte Seiner Lordschaft?«
An der Treppe bewegte sich etwas, und im nächsten Augenblick trat eine schlanke Frau in mittleren Jahren ins Licht.
»Miss Starling …«, stotterte Mr Hamilton. »Ich habe Sie gar nicht gesehen. Kommen Sie, Grace wird Ihnen eine Tasse Tee machen.« Er wandte sich zu mir, die Lippen so gespannt wie der Verschluss einer Geldbörse. »Mach schon, Grace«, sagte er mit einer Geste in Richtung Herd. »Eine Tasse Tee für Miss Starling.«
Miss Starling räusperte sich, bevor sie die letzte Treppenstufe herunterstieg. Dann stöckelte sie, eine kleine Lederhandtasche unter den sommersprossigen Arm geklemmt, auf den nächsten Stuhl zu.
Lucy Starling war Mr Fredericks Sekretärin, ursprünglich für die Fabrik in Ipswich eingestellt. Seit die Familie nach Kriegsende endgültig nach Riverton umgesiedelt war, kam sie zweimal wöchentlich aus dem Dorf, um in Mr Fredericks Büro zu arbeiten. Sie sah absolut durchschnittlich aus: hellbraune Haare unter einem altmodischen Strohhut, Röcke in dunklen Farben von braun bis olivgrün, einfache weiße Blusen. Ihr einziges Schmuckstück, eine kleine, cremefarbene Kamee, schien die eigene Gewöhnlichkeit zu spüren und hing schlaff am Kragen, sodass die silberne Anstecknadel zu sehen war.
Miss Starling hatte ihren Verlobten beim Kampf um die Bunkerstellungen von Ypern verloren, und sie trug ihre Trauer ebenso wie ihre Kleidung mit ergebener Unscheinbarkeit, eine Trauer, die zu selbstverständlich erschien, um Mitgefühl auszulösen. Nancy, die sich in solchen Dingen auskannte, meinte, es sei eine Schande, dass sie den Mann verloren hatte, der wirklich bereit gewesen war, sie zu heiraten, denn der Blitz schlage nicht zweimal in
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