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Geheime Tochter

Geheime Tochter

Titel: Geheime Tochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Shilpi Somaya Gowda
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Handfläche rankt. Das Ganze ist umso beeindruckender, da die beiden mehndi – Künstlerinnen offenbar freihändig arbeiten, ohne auf irgendeine Vorlage zu schauen. Tatsächlich plaudern sie sogar die ganze Zeit angeregt miteinander und mit den Gästen.
    »Na los, macht alles schön dunkel«, sagt eine Freundin der Braut im Spaß zu den Künstlerinnen. »Damit das mehndi auch ja lange hält!«
    »Und die Initialen so klein wie möglich. Damit er richtig lange suchen muss«, lacht eine andere Freundin und küsst die Braut auf den Kopf.
    Priya, die Asha zu einer Gruppe von älteren Frauen führt, erklärt: »Eine Tradition in der Hochzeitsnacht ist, dass der Bräutigam seine Initialen finden muss, die in den Ornamenten versteckt sind. Erst dann lässt die Braut ihn … du weißt schon.« Priya schmunzelt und zwinkert. »So, da ist sie.«
    »Manjula Tante!« Priya presst die Handflächen zusammen und verbeugt sich leicht vor einer älteren Frau, die einen burgunderroten Seidensari trägt und das pechschwarz gefärbte Haar akkurat zu einem Knoten gebunden hat. »Dadima kann heute Abend leider nicht kommen, lässt aber schön grüßen. Das ist meine Cousine aus Amerika«, sagt sie und stellt Asha rasch vor. »Sie ist noch nicht lange hier. Sie hat in Amerika ein besonderes Stipendium für Indien bekommen. Das ist eine große Auszeichnung.«
    »Hallo, namaste .« Asha versucht, die lockere Art ihrer Cousine nachzuahmen. »Schön, dich kennenzulernen.«
    »Willkommen, betis . Ich freu mich, dass ihr da seid«, sagt Manjula Tante und ergreift mit ihren pummeligen Händen die von Asha. »Gefällt es dir hier? Ich hoffe, ihr kommt morgen mit, wenn wir mit einem Charterboot durch den Hafen fahren. Ich sage ja immer, so schön wie von dort, ohne die ganze Luftverschmutzung, kann man die Lichter von Mumbai nirgendwo sehen!« Sie lacht herzhaft über ihren eigenen Witz, was die Speckrollen am Bauch, die ihr Sari sehen lässt, in Wallung versetzt. »Bitte, lasst es euch am Büfett schmecken. Wir haben so viel zu essen«, sagt sie und entschuldigt sich dann, um einen anderen Gast zu begrüßen.
    »Okay, das hätten wir«, sagt Priya, und sie nehmen Kurs aufs Büfett. Auf dem Weg dorthin sieht Asha zwei weitere mehndi – Malerinnen, die anderen Gästen die Hände und Füße mit weniger ausgefallenen, aber noch immer wunderschönen Mustern schmücken. Asha häuft sich einen Porzellanteller voll mit samosas , kachori und pakora , nimmt aber nur sparsam von den verschiedenen Chutneys, die ihrer Erfahrung nach meist zu scharf für sie sind. Sie denkt an Manjula Tantes Bemerkung über die Hafenfahrt und die Luftverschmutzung von Mumbai. Sie hat die dicke Smogdecke bemerkt, die an den meisten Tagen über der Stadt liegt, und ihr ist schon aufgefallen, dass sie im Freien ziemlich oft husten muss, aber sie hat auch den Eindruck,dass die Abgase größtenteils von den Auto-Rikschas und Motorrollern ausgestoßen werden, die den Namen Rajaj tragen. Manjula Tante, die alte Freundin der Familie, ist zufällig auch eine ganz schöne Heuchlerin. Während sie durch das riesige Haus schlendern, betrachtet Asha unauffällig die großen Marmorstatuen von indischen Göttern und die reich bestickten Gobelins an den Wänden. Priya stellt sie einigen anderen Frauen vor, doch Asha versteht von dem Geplapper auf Gujarati so gut wie nichts.
    Asha isst und schaut den mehndi – Malerinnen bei der Arbeit zu. Als eine von ihnen frei ist, schiebt Priya Asha nach vorne. »Irgendwas Schlichtes«, sagt Asha zu der Künstlerin, »wie das da vielleicht.« Sie deutet auf ein Sonnenornament, das eine andere junge Frau trägt. In nicht mal fünf Minuten sind Ashas Handflächen mit strahlenden Kreisen geschmückt. Die Malerin bestreicht die Motive mit einer Schicht Zitronensaft und ölt sie nach dem Trocknen ein, dann gibt sie Asha den Tipp, die Paste möglichst lange draufzulassen, damit die Färbung dunkler wird. Am nächsten Morgen bestaunt sie fasziniert die wunderschönen roten Ornamente, die zurückgeblieben sind, nachdem sie das getrocknete lehmartige Material abgekratzt hat, und bewundert ihre Hände den ganzen Tag über.
    Die Hochzeit findet zwei Abende später statt. Sobald Asha das Tor des Cricket Club of India durchschritten hat, bleibt sie bei dem Anblick, der sich ihr bietet, wie angewurzelt stehen. Die gesamte Anlage, etwa so groß wie zwei Football-Felder, ist vollgestellt mit luxuriösen Möbeln, die extra für das Fest herbeigeschafft worden sind:

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