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Geheime Tochter

Geheime Tochter

Titel: Geheime Tochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Shilpi Somaya Gowda
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verschnörkelte Chaiselongues, mit Schnitzereien versehene Tische, Seidenkissen, darüber locker drapierte zeltartige Dächer. Es sieht aus wie ein riesiger Freiluftpalast.Tausende Gäste schlendern umher, und fast ebenso viele Servierer tragen Tabletts mit Essen und Getränken. Asha vergisst ihre Befürchtung, sie könnte in ihrem neuen lengha zu sehr auffallen, als sie sieht, dass sie im Vergleich zu anderen Frauen, die prächtige Saris tragen und dick mit Schmuck behängt sind, eher bescheiden gekleidet ist.
    »Komm, yaar «, sagt Priya und packt sie am Ellbogen. »Mach den Mund zu, du siehst aus, als wärst du noch nie auf einer indischen Hochzeit gewesen!« Wortlos folgt Asha ihren Cousinen eine Weile und staunt über die Verwandlung des Cricketfeldes. Sie fragt sich, ob die Hochzeit ihrer Eltern genauso war, und muss dann an das gerahmte Foto denken, das bei ihnen im Schlafzimmer hängt und im Golden Gate Park aufgenommen wurde: Ihre Mutter trägt darauf ein schlichtes Sommerkleid und ihr Vater einen Anzug.
    »… und das ist Asha, meine amerikanische Cousine. Sie ist nicht nur schön, sondern auch noch hochintelligent«, sagt Priya und knufft sie in die Rippen. Asha richtet ihre Aufmerksamkeit auf die Hand, die ihr entgegengestreckt wird, und folgt ihr bis zu ihrem Besitzer. Ihre Augen weiten sich bei seinem Anblick.
    »Nett, dich kennenzulernen. Ich bin Sanjay«, sagt er mit einem britischen Akzent.
    »Ganz meinerseits. Ich bin Asha.«
    »Ja, ich weiß. Hat Priya mir gerade verraten. Ein hübscher Name, weißt du, was er bedeutet?«
    Ja, natürlich. Meine Eltern haben es mir ja bloß tausendmal gesagt. Aber sie schüttelt stumm den Kopf und hofft, dass er mit seiner betörenden Stimme weiterspricht.
    »Hoffnung. Deine Eltern müssen große Träume für dich gehabt haben.« Er lächelt, und Asha spürt, wie ihr die Knie weich werden.

    »Ja.« Mist . Wieso kann ich nicht was anderes sagen? Sie bemerkt, dass seine Augen die Farbe von weichem Karamell haben. Aus den Augenwinkeln sieht sie, dass Priya und Bindu sich bereits einige Schritte entfernt haben.
    »Wir holen nur rasch was zu essen … sind gleich wieder da«, sagt Priya mit einem Zwinkern.
    »Also, aus Amerika? Kommst du deine Familie hier oft besuchen?«, fragt Sanjay.
    »Ehrlich gesagt, bin ich das erste Mal hier«, antwortet Asha, die ihre Stimme endlich wiedergefunden hat. »Und du? Bist du aus … England?«
    »Nein, nein. Ich bin gebürtig aus Mumbai, nur ein paar Blocks von hier geboren und aufgewachsen. Aber ich studiere seit sechs Jahren in England und mache bald meinen Master in Wirtschaftswissenschaften.«
    »Wirtschaftswissenschaften – an welcher Uni denn?« Sie merkt selbst, dass sie sich wie eine Reporterin anhört, doch sein ungezwungenes Lächeln beruhigt sie.
    »London School of Economics. Nach dem Abschluss würde ich gern bei der Weltbank arbeiten oder so. Das heißt, wenn mein Vater mich nicht vorher ins Familienunternehmen lockt. Und was machst du?«
    »Ich studiere auch, an der Brown University in den Staaten. Ich bin hier, weil ich ein Stipendium für ein Projekt bekommen habe.«
    »Und was ist das für ein Projekt?«
    »Ich mache eine Studie über Kinder, die in Armut leben – in den Slums, wie Dharavi.« Seine Augen weiten sich. »Was? Willst du mir jetzt auch sagen, dass ich vorsichtig sein soll, wie alle anderen?«, fragt sie.
    »Nein.« Er nimmt einen Schluck von seinem Drink. »Ich bin sicher, eine intelligente Frau wie du weiß um die Gefahren.« Von der Wärme, die sein Lächeln ausstrahlt, meint Asha dahinzuschmelzen. »Und, was hast du bisher in Erfahrung gebracht?« Und von da an plaudern sie locker weiter. Irgendwann schlendern sie zum Büfett, dessen Tisch sich unter der Last von mindestens fünfzig verschiedenen Gerichten biegt. Er trägt ihren Teller hinüber zu einem der Samtsofas, wo sie Platz nehmen. Er isst mit den Händen und animiert sie, es ihm gleichzutun. Sie reden über die bevorstehenden Wahlen in den USA , die Euro-Umstellung und die Cricket- WM . Er lacht ungezwungen über ihre Scherze und sorgt dafür, dass ihr Glas immer gefüllt ist. Der Abend vergeht wie im Flug, und Asha fängt an, nach ihren Cousinen Ausschau zu halten.
    »Eins würde mich interessieren. Du hast vorhin gesagt, du bist das erste Mal in Indien. Wieso bist du nicht schon früher mal hergekommen?«, fragt Sanjay, den Arm locker auf die Couchlehne hinter ihr gelegt.
    Seine entspannte, selbstbewusste Art ist schon den ganzen Abend

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