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Geheime Tochter

Geheime Tochter

Titel: Geheime Tochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Shilpi Somaya Gowda
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abends den Fernseher laufen, damit es in der Wohnung nicht so still ist. Alle Freunde aus Studienzeiten und in der Nachbarschaft sind im Grunde ihre gemeinsamen Freunde als Paar, und Somer hat es noch keinem erzählt.
    »Super, dann nehmen wir noch ein Glas«, sagt Liza zu dem Kellner.
    Somer sieht gebannt zu, wie sich ihr Glas wieder mit der sattroten Flüssigkeit füllt. Ihr Kopf ist schon angenehm leicht.
    »He«, sagt Liza mit gesenkter Stimme. »Das mit der leitenden Stelle tut mir leid. Ich war sicher, du würdest sie kriegen. Du bist am längsten bei uns und alle Mitarbeiter mögen dich.«
    »Tja, sie haben aber einen genommen, der auf der Verwaltungsebene mehr Erfahrung hat, einen, der das seit zwanzig Jahren schwerpunktmäßig macht, nicht so halbherzig wie ich.« Somer weiß, dass sie das nicht sagen sollte, aber sie war enttäuscht, nicht befördert worden zu sein, und es tut gut, mal mit jemandem darüber zu reden.
    »Weißt du irgendwas über den Typen, den sie genommen haben?«
    Somer schüttelt den Kopf. »Bloß, dass er aus Berkeley kommt.« Sie war geschmeichelt gewesen, als ihr in den Ruhestand wechselnder Chef ihr nahelegte, sich doch auf die frei werdende Stelle als seine Nachfolgerin zu bewerben. Eine Weile fand sie den Gedanken reizvoll, sich wieder ganz auf die Arbeit zu konzentrieren, sich etwas Neuem zu verschreiben.
    »Und, was hast du für Pläne über die Feiertage, Somer?«
    »Ich besuche meine Eltern in San Diego.« Sie fragt sich, ob dieses Glas Wein womöglich noch besser schmeckt als das erste.

    »Wie schön. Fährst du jedes Jahr mit deiner Familie zu ihnen?«
    »Ähm … nein.« Somer ist so angenehm warm, dass auf einmal alles aus ihr heraussprudelt. »Ich fahre allein. Mein Mann besucht seine Familie in Indien. Und unsere Tochter, die zurzeit auch dort ist.« Somer trinkt wieder einen großen Schluck Wein und spricht weiter. »Ich wollte nicht hin, aber mein Mann hat sich total stur gestellt und nicht mit sich reden lassen, also …« Sie schüttelt den Kopf. »Es tut mir ganz gut, mal eine Zeit lang etwas Abstand zu ihm zu haben. Sei froh, dass du nicht verheiratet bist, es ist nicht immer so toll, wie man meint.« In dem kleinen holzgetäfelten Raum klingt Somers Lachen ein bisschen laut, selbst für ihre Ohren.
    »Na ja, ich war mal verheiratet«, sagt Liza, »sechs Jahre lang. Vor zehn Jahren war die Scheidung. Zum Glück keine Kinder. Das hat die Trennung zumindest einfacher gemacht. Aber was ist mit dem Kinder-Teil? Ist der denn wenigstens so toll, wie man meint?«
    »Hmm.« Somer denkt darüber nach. »Normalerweise würde ich sagen, ja, aber die Frage ist mir im Augenblick zu kompliziert.«
    »Kein Problem. Es interessiert mich einfach immer, weil das einer der Gründe ist – eigentlich der Hauptgrund –, weshalb mein Mann und ich uns getrennt haben.«
    »Er wollte keine Kinder?«, fragt Somer.
    »Im Gegenteil. Sogar sehr. Ich wollte keine«, antwortet Liza. »Ich hatte nie den drängenden Wunsch, Mutter zu werden, und dann habe ich mitgekriegt, was das bei meinen Freundinnen für Folgen hatte. Es hat ihre Ehen verändert, ihre beruflichen Perspektiven. Es hat … sie verändert. Sie waren nicht mehr dieselben, sie waren wie leere Hüllen ihres früheren Selbst.« Liza lässt den Zeigefinger über den Rand ihres Glases gleiten. »Vielleicht bin ich egoistisch, aber ich bin nun mal gern die, die ich bin, und ich wollte das alles nicht verlieren. Ich bleibe gern in Form, mein Beruf ist mir wichtig. Ich wollte auch nicht zehn Jahre aufs Reisen verzichten. Ich habe mir einfach vorgestellt, wie mein Leben mit Kindern wäre, und fand, dass ich dabei zu schlecht abschneiden würde.« Liza zuckt die Achseln. »Ist wohl nicht für alle was.«
    »Findest du die Entscheidung nach wie vor richtig?«, fragt Somer, ehe sie sich bremsen kann.
    »Manchmal befallen mich Zweifel«, erwidert Liza. »Aber die meiste Zeit bin ich richtig zufrieden mit meinem Leben. Ich liebe meine Arbeit, die Wochenenden gehören mir, ich reise viel … Übrigens, ich hab vor, im nächsten Frühjahr mit zwei Freundinnen und meiner Schwester nach Italien zu fahren, und meine Schwester musste abspringen, weil sie am Knie operiert wird. Wenn du Interesse hast, mitzukommen – Radfahren in der Toskana, köstliches Essen, toller Wein. Nur unter Mädels.« Liza lächelt, als sie ihr Glas an die Lippen hebt.
    »Hmmm. Klingt verlockend. Besonders die Aussicht, meinen Mann hier zu lassen.« Somer kippt den Rest

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