Geheime Versuchung
hatten, ein paar von ihnen waren sogar enge Freundinnen von ihr. Doch in keiner Beziehung herrschte ein solches Machtgefälle wie zwischen Cooper und ihr.
»Es muss doch jemanden geben.«
Sie benötigte Hilfe, und nach der zweiten Tasse Kaffee fiel ihr eine Frau ein, die ihre Lehrerin im Kindergarten der Sierra-Nevada-Höhle gewesen war. Mit zwölf hatte Grace mit ihrer neuen Familie die Höhle verlassen, doch sie erinnerte sich noch gut an die freundliche Frau mit den leuchtend indigofarbenen Augen, die sie noch lange, nachdem sie dem Kindergarten entwachsen war, bei jeder Begegnung in den Arm genommen und gestärkt hatte.
Tarah war kaum weniger unterwürfig als Grace, und ihr Gefährte Abel war ein sehr dominanter Wolf, der als Soldat einen hohen Rang im Rudel hatte. Eine Tochter der beiden war Offizierin, die andere eine unterwürfige Wölfin, die in der Rangordnung eher Grace nahestand. Wenn jemand Grace verstehen konnte, dann war es Tarah.
Ehe sie es sich anders überlegen konnte, suchte Grace Tarahs Nummer im Telefonbuch und gab sie in die Kommunikationskonsole ein. Zu spät fiel ihr auf, dass es schon nach zehn war.
Abel meldete sich. »Hätte dich beinahe nicht erkannt«, sagte er nach kurzem Zögern. »Aber ich vergesse nie eines von Tarahs Kindern. Wir geht es dir, Grace, Schätzchen?«
Der freundlichen Frage entnahm sie, dass er ihren Kummer bemerkt hatte. »Gut.« Sie sah kurz in die grauen Augen. »Tut mir leid, es ist schon spät. Ich wollte mit Tarah sprechen und habe gar nicht auf die Zeit geachtet.«
»Sie ist noch wach. Augenblick.«
Kurz darauf setzte sich Tarah vor den Bildschirm. Ihre Augen leuchteten noch genauso blau, wie Grace es in Erinnerung hatte, ihre Stimme klang freudig überrascht. »Schön, dich zu sehen.«
Sie tauschten ein paar Minuten Neuigkeiten aus, dann wandte Tarah den Kopf zur Seite. »Kannst du uns ein paar Minuten allein lassen, Liebling? Wir Mädels müssen etwas besprechen.«
Abel schnaubte. »So, wie ich dich kenne, ist unter einer Stunde nichts zu machen.« Er kam näher und küsste Tarah. Dann sah er Grace an. »Du musst unbedingt vorbeischauen, wenn du mal wieder in der Gegend bist.«
»Also, was ist los?«, fragte Tarah, nachdem ihr Gefährte gegangen war. Ihr Blick war überaus freundlich.
Grace fiel es nicht leicht zu beschreiben, was vorgefallen war. Am Ende war sie den Tränen nahe. »Wie könnte ich mit ihm zusammen sein, da ich nie sicher sein kann, dass meine Wölfin sich nicht instinktiv unterwirft? Als würde ich ihn gar nicht kennen und könnte ihm nicht vertrauen?« Für einen dominanten Wolf war es unabdingbar, dass seine Gefährtin ihm vorbehaltlos vertraute. Wenn sie Cooper das nahm, konnte sie ihm auch gleich ein Messer ins Herz stoßen.
Tarah sah sie mitfühlend an. »Du hast eine Menge Arbeit vor dir, da will ich dir nichts vormachen. Aber es ist zu schaffen, und wenn es dann funktioniert … Abel ist mein Fels in der Brandung, mein Herz.«
Die tiefe Liebe der beiden weckte die Sehnsucht in Grace. »Gibt es irgendetwas, das mir helfen könnte?«
»Das Zauberwort heißt Kompromiss, wie in fast jeder Beziehung.« Ein scheues Lächeln. »Sei allerdings gewarnt – dominante Wölfe legen Kompromisse eher weit aus.«
Grace lachte unter Tränen. »Das kann ich mir vorstellen.« Sie atmete tief durch, um sich zu beruhigen. »Am meisten quält mich, dass er sich so sehr beherrschen muss. Ununterbrochen. Wird das …« Sie sprach nicht weiter, denn ihr war klar geworden, dass sie etwas sehr Intimes fragen wollte.
Tarah tippte mit dem Finger auf den Bildschirm, als wollte sie ein Junges auf die Nase stupsen. »Frag ruhig, was du willst. Um deine letzte Frage zu beantworten: Abel hält sich nicht zurück. Das muss er nicht, denn meine Wölfin weiß, dass er keine Unterwerfung von mir erwartet, selbst wenn ich völlig schutzlos bin.« Ein forschender Blick. »Ein solches Vertrauen kann man nicht erzwingen, das ist keine bewusste Entscheidung. Das Tier in uns trifft sie, denn für den Wolf ist es überlebenswichtig, ein Raubtier richtig einzuschätzen.«
Das schien nur allzu richtig zu sein. »Danke, dass du so ehrlich bist.«
»Gern geschehen, Süße.« Ihre frühere Lehrerin lächelte schelmisch. »Necke ihn. Spiel mit ihm, lass ihn jagen, er braucht das, aber nimm dir selbst auch genügend Zeit. Auf etwas zu warten hat auch etwas für sich.«
Nach dem Ende des Gesprächs dachte Grace noch ein wenig über Tarahs Worte nach, dann zog sie sich
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