Geheimer Krieg: Wie von Deutschland aus der Kampf gegen den Terror gesteuert wird (German Edition)
werden die zerlegten Drohnen von der zuständigen Basis zu ihren tödlichen Einsätzen gebracht», sagt Jung. Die unbemannten Flugroboter sind so groß, dass sie in Einzelteilen zu ihren Einsatzorten gebracht werden müssen. Ein Sprecher der US Air Force will weder bestätigen noch dementieren, dass von Ramstein aus auch Reaper-Kampfdrohnen nach Dschibuti in Afrika transportiert werden. Die Wartungshangars für die C- 130 -Maschinen, das Vorfeld und die Start- und Landepiste – also die gesamte Infrastruktur für diese Transporte von Europa zu den Kill-Einsätzen – haben die deutschen Steuerzahler bezahlt.
12. Kapitel Obama antwortet
Barack Obama und Angela Merkel vor der Presse in Berlin
Mit unseren Rechercheergebnissen über die Beteiligung von Anlagen in Ramstein am US -Drohnenkrieg fahren wir nach Leipzig. Hier hat das Bundesverwaltungsgericht seinen Sitz. Einer der 56 Richter ist Dieter Deiseroth, schon lange beschäftigt er sich mit Fragen des Völkerrechts. Wir haben ihn vor Wochen schon einmal angerufen. Er hat uns damals bei der Frage geholfen, ob die Ansiedlung von AFRICOM in Deutschland nicht von einem Parlament hätte entschieden werden müssen.
Deiseroth war im Jahr 2005 an einem Grundsatzurteil beteiligt, das die deutsche Beteiligung am Irak-Krieg als verfassungs- und völkerrechtswidrig einstufte. Die Richter kritisierten die Unterstützung der Bundesrepublik für diesen Krieg, an dem das Land offiziell gar nicht teilnahm. Ein Bundeswehrsoldat hatte geklagt, weil er eine Software mitentwickeln sollte, die auch im Irak-Krieg eingesetzt werden konnte. Er wollte aber nicht an einem Angriffskrieg teilnehmen, der gegen das Grundgesetz verstößt. Das Bundesverwaltungsgericht gab ihm recht.
In seiner Begründung stellte das Gericht unter anderem fest, dass die Bundesregierung den US -Truppen Überflugrechte für deren B- 52 -Bomber gewährt hatte. Sie war nicht dagegen vorgegangen, dass die Verwundeten dieses Krieges in Deutschland versorgt wurden. Auch das Kriegsmaterial für den Irak kam von verschiedenen US -Basen aus Deutschland. Zudem bemängelten die Richter, dass US -Kommunikationssysteme auf deutschem Territorium in den Krieg einbezogen waren. Die Unterstützung eines völkerrechtswidrigen Angriffskrieges ist Deutschland verfassungsrechtlich verboten.
Wir besuchen Richter Deiseroth in seinem Büro im ehemaligen Reichsgerichtsgebäude aus dem Kaiserreich. Es erinnert an den Reichstag in Berlin, der um dieselbe Zeit gebaut wurde. Beide Kuppelbauten gelten als die wichtigsten Zeugnisse wilhelminischer Staatsarchitektur. Der Justizpalast erhebt sich majestätisch und wuchtig in der Leipziger Innenstadt. Vor dem Gericht plätschert das Flüsschen Pleiße, drinnen schüchtert die imposante Eingangshalle mit ihren Säulen, der Kuppel und der Justitia im Giebel den Besucher ein. Im Büro von Dieter Deiseroth geht es etwas verspielter zu: Auf dem blauen Teppich liegt ein Plastikball, auf dem man auch sitzen kann.
Wir berichten ihm von unseren Recherchen. Deiseroth zeigt dabei wenig Emotionen. Der Jurist ist ein Mann der logischen Argumente. Er lacht in den Stunden unseres Treffens nicht ein einziges Mal, seine grauen Augenbrauen bewegen sich nur selten. Deiseroth nimmt uns hart ins Gebet, er fragt penibel nach, will es ganz genau wissen.
Dann erzählt er, wie die Stationierung der US -Streitkräfte in Deutschland rechtlich geregelt ist. Amerikanische Truppen und ihr ziviles Gefolge müssen sich an deutsches Recht halten – auch auf dem ihnen überlassenen Gelände, das deutsches Staatsgebiet ist. Das regelt der Artikel II des NATO -Truppenstatuts, die zentrale Grundlage für die Stationierung von ausländischen Soldaten in der Bundesrepublik. Die Gast-Armeen haben «das Recht des Aufnahmestaats zu achten und sich jeder mit dem Geiste des NATO -Truppenstatuts nicht zu vereinbarenden Tätigkeiten zu enthalten». Kurz: Auch US -Soldaten dürfen weder auf deutschem Boden noch bei der Nutzung des deutschen Luftraums gegen deutsches Recht oder Völkerrecht verstoßen.
Spätestens seit der Wiedervereinigung ist Deutschland ein souveränes Land und nicht mehr an die Weisungen der Alliierten gebunden, sagt Deiseroth. «Jede Entscheidung einer deutschen Regierung, die USA heute bei ihren Kriegen zu unterstützen, ist immer politisch gewollt und muss rechtlich verantwortet werden.»
Wir trinken Tee. Während Dieter Deiseroth sich seinen letzten Schluck einschenkt, blickt er uns an. Er überlegt länger,
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