Geheimer Krieg: Wie von Deutschland aus der Kampf gegen den Terror gesteuert wird (German Edition)
wägt jedes Wort ab. Und dann sagt er: «Jede deutsche Regierung steht vor dem Abgrund des Verfassungsbruchs, wenn sie bewusst das Hoheitsgebiet in die Führung eines völkerrechtswidrigen Krieges verwickeln und einbeziehen lässt.»
Das war deutlich. Solange die Bundesregierung nichts gegen die Drohneneinsätze tut, die von Stuttgart und Ramstein aus gesteuert werden, verstößt sie gegen die Verfassung. Die Kanzlerin und die Minister machen sich mitschuldig, weil sie sich an völkerrechtswidrigen Delikten des US -Militärs beteiligen – oder diese zumindest dulden und es unterlassen, dagegen zu intervenieren.
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In den kommenden Tagen sprechen wir auch mit anderen prominenten Juristen und Verfassungsrechtlern. Professor Thilo Marauhn lehrt an der Uni Gießen Völkerrecht. Auch er sagt: «Die Tötung eines Terrorverdächtigen mit Hilfe einer bewaffneten Drohne außerhalb eines bewaffneten Konflikts kann – wenn die Bundesregierung davon weiß und nicht dagegen protestiert – Beteiligung an einem völkerrechtlichen Delikt sein.» Und Marauhn geht sogar noch weiter. Man könne einen Terrorverdächtigen nicht einfach töten, sagt er, «das ist im Zweifel Totschlag oder Mord und man müsste überlegen, ob da strafrechtliche Mittel ergriffen werden».
Nach deutschem Recht sind Angriffe auf Menschen, die keine Kombattanten in einem Krieg sind, ganz klar verboten. Für die Drohnen über Somalia bedeutet das: Jedes getötete Kind, jeder Zivilist und jeder mutmaßliche Terrorist, der nicht gegen die somalische Regierung kämpft, wäre demnach illegal getötet worden. Müsste deswegen nicht ein deutscher Staatsanwalt wegen Mordes gegen die US -Soldaten in Deutschland ermitteln?
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Wir wollen wissen, was die Bundesregierung selbst zu unseren Recherchen sagt, nachdem mittlerweile einige ihrer Ergebnisse bei
Panorama
in der ARD und in der
Süddeutschen Zeitung
veröffentlicht wurden. Lapidar lässt man uns aus dem Verteidigungsministerium wissen, es lägen keinerlei Anhaltspunkte vor, dass Drohnenangriffe über Deutschland geplant oder durchgeführt werden.
Das verwundert uns, denn wir wissen aus der Antwort der Bundesregierung auf die Anfrage eines Abgeordneten, dass in Ramstein seit 1996 ein Verbindungskommando der deutschen Luftwaffe stationiert ist. Ein Offizier und ein Feldwebel halten auf dem Flugplatz den Kontakt zwischen dem Inspekteur der Luftwaffe und der US Air Force. Zu den Aufgaben der Verbindungssoldaten gehört es, Informationen auszutauschen und das deutsche Verteidigungsministerium über «Planungen und Maßnahmen der US Air Force in Europa» zu unterrichten.
Dass die Regierung bisher nichts von den Vorgängen in Ramstein und Stuttgart erfahren hat, kann jedoch auch daran liegen, dass es sie nicht sonderlich interessiert. Wir fragen beim Bundeskanzleramt an, beim Verteidigungsministerium und beim Auswärtigen Amt, wer denn die Einhaltung der Stationierungsverträge und des Grundgesetzes auf den US -Basen in Deutschland kontrolliert.
Tagelang schicken uns die Ministeriumssprecher von einem Ministerium zum anderen. Es scheint, als ob in der Regierung selbst zuerst niemand weiß, wer die zehntausende amerikanischen Soldaten überwacht. Nach einer Woche erhalten wir einen Anruf vom Außenministerium. «Es gibt keine regelmäßigen Kontrollen», sagt eine Sprecherin. Es gebe noch nicht einmal eine übergeordnete Instanz, die die Truppen kontrolliert. Ein regelmäßiger Austausch über die aktuellen Aktivitäten finde darum nicht statt.
Die Bundesregierung vertraue den USA und ihrer Zusage, sich an geltendes Recht zu halten.
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Nach unseren ersten Berichten interessieren sich auch Politiker für die Vorgänge in Ramstein. Grüne und Linkspartei-Abgeordnete stellen Anfragen an die Bundesregierung, was sie über die US -Drohnen-Steuerung von deutschem Boden aus wisse. Diese antwortet über Wochen hinweg mit den immer gleichen Worten, wie aus einem Floskel-Baukasten: «Der Bundesregierung liegen keine eigenen gesicherten Erkenntnisse zu von US -Streitkräften in der Bundesrepublik Deutschland angeblich geplanten oder geführten Einsätzen vor.»
Und was gedenkt die Regierung gegen den Bruch der Verfassung zu unternehmen?
«Nach dem Gespräch von Bundesminister Dr. Westerwelle mit seinem amerikanischen Amtskollegen nehmen wir die US -Seite beim Wort, dass die USA sich mit ihren in Deutschland stationierten Truppen im Rahmen deutscher Rechtsnormen bewegt.»
Nichts wissen.
Nicht fragen.
Vertrauen statt
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