Geheimer Krieg: Wie von Deutschland aus der Kampf gegen den Terror gesteuert wird (German Edition)
eines Business-Parks zu gelangen. Ein Schild weist uns zum « FKK Mainhatten», einem Bordell, darunter steht «Interxion». Hier wollen wir hin. Ein Wachmann öffnet den Schlagbaum und winkt uns durch auf das Gelände. Wir parken und sehen ein paar unspektakuläre weiße Flachbauten. Auf einigen der Dächer stehen riesige Satellitenschüsseln und Antennen, auf anderen erkennen wir Notstromaggregate und Industrie-Klimaanlagen, die die Rechenzentren kühl halten.
Als Erstes melden wir uns in der «Customer Lounge». In einem viel zu großen, fast leeren Büro sitzt ein fülliger Mann mit Kinnbart in der Ecke hinter mehreren Bildschirmen. Ein Schild weist ihn als «Security Manager» aus.
«Guten Tag, wir suchen die NSA , sind wir hier richtig?»
«Die finden Sie hier nicht, was wollen Sie hier?»
, antwortet der Mann ohne einen Funken Ironie.
«Uns interessiert, ob es stimmt, was über sie berichtet wird.»
«Was wurde denn berichtet?»
«Dass die NSA den Internetknotenpunkt in Frankfurt angezapft hat, also theoretisch auch dieses Rechenzentrum Fra 5 von Interxion hier.»
«Bitte gehen Sie jetzt, unsere Verwaltung sitzt hier nicht, da können Sie sich einen Termin holen für solche Fragen.»
Wir verabschieden uns und gehen die paar Stufen im Gebäude hinunter zurück auf den Parkplatz. In den vergangenen Wochen hatten wir viel darüber gelesen, dass sich die NSA für diese gesicherten Bauten an der Stadtautobahn sehr interessiert haben soll, in denen wir jetzt stehen. Oder besser gesagt: Der Geheimdienst interessierte sich für deren innere Werte. Während draußen der Straßenverkehr vorbeirauscht, strömt drinnen der digitale Datenverkehr: In den Häusern befindet sich eine entscheidende Kreuzung im weltweiten Datenstrom.
Der Internetknotenpunkt DE - CIX ist der weltweit größte Datenumschlagplatz, das wichtigste Internet-Datendrehkreuz Europas. Über 500 Internet Service Provider aus über 50 Ländern tauschen hier ihre Daten untereinander aus. Kunden wie Arcor, AT & T Deutschland und Telekom speisen die digitalen Daten ihrer Kunden in diesen Knotenpunkt ein, aber auch die Suchmaschinenanbieter Google und Yahoo. Und Facebook. «Heute laufen einige der wichtigsten internationalen Datenleitungen in Deutschland zusammen», sagt Thomas Drake, bis vor wenigen Jahren Mitarbeiter in der NSA -Führungsebene.
In Frankfurt ist der Internetknoten DE - CIX in sieben Rechenzentren untergebracht, drei Firmen betreiben diese Zentren, Interxion ist mit drei Standorten der größte Betreiber.
Das Internet ist hier laut und warm. Mehrere tausend Rechner stehen in den Hallen an der Hanauer Landstraße, sie müssen ständig durch Lüfter gekühlt werden. Darum rauscht es in den Räumen, in denen man außer gelben Kabeln, die aus dem Boden kommen und in grauen Computerschränken verschwinden, nicht viel sehen kann. Ein paar grüne Mini-Lichter flackern nervös an den Datenschränken. Hier treffen osteuropäische Glasfaserkabel auf Leitungen aus Zentralasien und Westeuropa. Mails, Bilder, Telefonate und Tweets aus Ländern des Nahen und Mittleren Ostens kommen in Frankfurt vorbei.
In den Rechenzentren des Internetknotens werden sekündlich Terabytes an Informationen zwischen den wandschrankgroßen Racks ausgetauscht, die wie Serverschränke aussehen. Auch diese Frankfurter Rechenzentren soll die NSA laut
Spiegel
angezapft haben. Angeblich soll Frankfurt eine der Quellen für die halbe Milliarde Kommunikationsvorgänge sein, auf die die NSA jeden Monat in Deutschland zugreift. SMS , Mails, Telefonate. Im US -Konsulat in Frankfurt soll die National Security Agency sogar einen eigenen Lauschposten betreiben, schreibt der
Spiegel
. Die Existenz dieses Abhörprogramms «Special Collection Service» sei unter allen Umständen geheim zu halten – sollte es bekannt werden, würde das «den Beziehungen zum jeweiligen Gastland schweren Schaden zufügen», heißt es in einem NSA -Dokument.
Wir fotografieren das Unternehmensschild auf dem Interxion-Firmengelände, weil wir uns über die Formulierung «Kunden-Lounge» amüsieren, ein Wellness-Aufenthalt war unser Besuch nicht gerade. Dann steigen wir ins Auto und wollen vom Gelände fahren. Im Rückspiegel bemerken wir einen Mann im Anzug, der uns zuwinkt und auf uns zugerannt kommt. Wir warten, und als er angekommen ist, fragt er uns vollkommen außer Puste, was wir denn hier tun würden. Wir sagen es ihm. Dann geht er zum Wachmann und weist ihn an, uns nicht rauszulassen.
Weitere Kostenlose Bücher