Geheimnis der Liebe: Roman (German Edition)
holen.«
Sich die Hände an ihren Röcken abwischend, hüpfte Samantha von der Ottomane und betrachtete zufrieden das Ergebnis ihrer Mühen. »Ja genau, warum nicht? Mir wäre nichts lieber, als einmal mit der guten Frau zu reden.«
Mit einem letzten unverständlichen Ausruf lief das Mädchen mit wild aufgerissenen Augen aus dem Zimmer.
Als Mrs. Philpot kurze Zeit später in den Salon gerauscht kam, wurde sie von dem Anblick der neuen Pflegerin des Earls begrüßt, die gerade gefährlich auf einem zierlichen Stuhl aus der Zeit von Ludwig XIV. balancierte. Die Haushälterin konnte nur starr vor Entsetzen verfolgen, wie Samantha kräftig mit beiden Händen an den Vorhängen zog. In einer Stofflawine fielen sie ihr auf den Kopf und begruben sie unter einer Wolke smaragdgrünen Samtes.
»Miss Wickersham!«, entfuhr es Mrs. Philpot. Sie hielt sich eine Hand vor die Augen, um sie vor dem hellen Sonnenschein zu schützen, der nun durch die französischen Fenster ins Zimmer flutete. »Was soll das bedeuten?«
Samantha stieg von dem Stuhl und befreite sich aus den schweren Stofffalten. Dem bestürzten Blick der Haushälterin folgend, machte sie zu dem Berg Vorhänge, den sie in der Mitte des Zimmers aufgetürmt hatte, eine entschuldigende Kopfbewegung. »Eigentlich wollte ich sie ja nur aufziehen, aber nachdem ich all den Staub gesehen habe, wurde mir klar, dass sie gründlich gelüftet und ausgeklopft werden müssen.«
Mit der Hand auf dem Schlüsselbund an ihrer Taille, als sei es der Griff eines Schwertes, richtete sich Mrs. Philpot auf. » Ich bin die Haushälterin von Fairchild Park. Sie sind die Pflegerin des Herrn. Das Lüften von Vorhängen oder dergleichen zählt somit kaum zu Ihren Pflichten.«
Mit einem skeptischen Blick auf die Frau entriegelte Samantha das Fenster und stieß es auf. Eine sanfte, nach Flieder duftende Brise wehte ins Zimmer. »Vielleicht nicht. Aber das Wohlbefinden meines Patienten schon. Licht mag Ihrem Herrn versagt sein, aber es gibt keinen Grund, warum das auch für frische Luft gelten sollte. Seine Lungen gründlich durchzupusten könnte seinen Zustand verbessern … und seine Laune auch.«
Einen Moment erweckte Mrs. Philpot den Eindruck, als sei sie ernsthaft in Versuchung geführt.
Ermutigt von ihrem Zögern begann Samantha, im Zimmer auf und ab zu gehen, ihre Pläne begeistert mit Gesten untermalend. »Zuerst, dachte ich, sollten wir die Zimmermädchen alle Scherben auffegen lassen, während die Lakaien die zerbrochenen Möbel forttragen. Dann, nachdem wir alles Zerbrechliche weggeräumt haben, könnten wir die Möbel an die Wände rücken, sodass sich in jedem Zimmer ein freier Weg für den Earl ergibt.«
»Der Earl verbringt die meiste Zeit in seinem Schlafzimmer.«
»Können Sie ihm das denn verdenken?«, erkundigte sich Samantha und blinzelte ungläubig. »Wie würden Sie sich fühlen, wenn Sie jedes Mal, wenn Sie Ihr Schlafzimmer verlassen, das Risiko eingehen, sich das Schienbein zu stoßen oder den Kopf anzuschlagen?«
»Der Herr persönlich hat angeordnet hat, dass die Vorhänge geschlossen bleiben. Er war es, der darauf bestanden hat, dass alles so bleibt wie vor … vor …« Die Haushälterin schluckte, unfähig, ihren Satz zu beenden. »Es tut mir Leid, aber ich kann mich nicht daran beteiligen, seinen Wünschen zuwider zu handeln. Und der Dienerschaft erteile ich auch keine Anweisung.«
»Also werden Sie mir nicht helfen?«
Mrs. Philpot schüttelte verneinend den Kopf, und in ihren grauen Augen stand ein Ausdruck echten Bedauerns. »Ich kann nicht.«
»Nun gut.« Samantha nickte. »Ich respektiere Ihre Loyalität Ihrem Arbeitgeber gegenüber und Ihre Hingabe an Ihre Arbeit.«
Mit diesen Worten drehte sie sich auf dem Absatz um, marschierte zum nächsten Fenster und begann, an den schweren Vorhängen zu zerren.
»Was tun Sie denn da?«, rief Mrs. Philpot, als die Vorhänge herabrauschten.
Samantha warf die Samtmassen oben auf den Haufen in der Zimmermitte, dann riss sie das Fenster auf und ließ einen breiten Strahl Sonnenlicht und frische Luft hineinströmen. Sie wandte sich zu Mrs. Philpot um und klopfte sich den Staub von den Händen. » Meine Arbeit.«
»Ist sie immer noch zugange?«, fragte eine der Spülmägde flüsternd den rotwangigen Lakaien, der gerade die geräumige Küche von Fairchild Park betrat.
»Ich fürchte ja«, wisperte er zurück, stibitzte ein dampfendes Würstchen von ihrem Tablett und steckte es sich in den Mund. »Hörst du
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