Geheimnis der Liebe: Roman (German Edition)
meine Garderobe neu sortieren. Ich bin zu dem Schluss gekommen, dass ich mich leichter selbst ankleiden könnte, wenn Sie alle meine Halstücher, Westen und Strümpfe an verschiedene Stellen räumten.«
»Mir war gar nicht bewusst, dass Sie sich in der letzten Woche der Mühe unterzogen haben, überhaupt lange genug Ihr Bett zu verlassen, um sich anzuziehen. Und ich habe gestern sechs Stunden damit verbracht, Ihre Kleidung zu Kombinationen zusammenzustellen, weil Sie beschlossen hatten, dass Sie sie nicht nach Typ sortiert haben wollen.«
Gabriel seufzte und zupfte mit seinen Fingern ziellos an der Seidendecke. »Nun, wenn es Ihnen zu viel Mühe bereitet …« Er ließ den Kopf hängen; die Herausforderung stand greifbar zwischen ihnen.
Sie lächelte mit so fest zusammengebissenen Zähnen, dass sich ihr Gesicht wie eine Totenmaske anfühlte. »Das will ich nicht sagen. Ganz im Gegenteil, es ist mir ein Privileg und ein Vergnügen zugleich.«
Bevor er noch sein Glöckchen zwischen den unordentlichen Laken finden konnte, machte Samantha auf dem Absatz kehrt, marschierte die Treppe hinab und überlegte dabei sehnsüchtig, ob sie den französischen Koch wohl überreden könnte, die nächste Kanne Schokolade für seinen Herrn mit Schierling zu versetzen.
Den Rest des Tages verbrachte sie so wie jeden wachen Moment der vergangenen Woche – sie ließ sich von Gabriel herumkommandieren. Seit dem ersten Morgen, da er sie zu sich gerufen hatte, hatte er ihr keinen Augenblick Ruhe gegönnt. Jedes Mal, wenn sie auch nur daran dachte, sich ein paar Minuten hinzusetzen oder sich für ein kurzes Nickerchen in ihr Schlafzimmer zu schleichen, begann sein Glöckchen wieder zu klingeln. Das beharrliche Läuten ertönte ohne Unterlass von morgens über mittags bis spät in der Nacht, sodass die anderen Dienstboten sich genötigt sahen, sich die Kissen über die Ohren zu ziehen, wenn sie überhaupt Schlaf finden wollten.
Obwohl sie genau wusste, was er vorhatte, weigerte sich Samantha, ihm die Befriedigung zu gewähren, sie zu ihrer Kündigung zu treiben. Sie war entschlossen zu beweisen, dass sie aus härterem Holz geschnitzt war als die alte Cora Gringott oder die Witwe Hawkins. Nie hatte sich eine Pflegerin aufopfernder um das Wohlergehen ihres Patienten gekümmert. Sie verbiss sich jede sarkastische Bemerkung und übernahm unermüdlich und ohne zu murren die Rollen von Kammerdiener, Koch, Butler und Kindermädchen.
Besonders abends war Gabriel verdrießlich und schwer zufrieden zu stellen. Wenn sie die Bettdecke um ihn feststeckte und die Vorhänge zuzog, bemerkte er immer betrübt, dass es im Zimmer ein wenig stickig war. Dann zog sie die Vorhänge ein Stück zur Seite, schlug die Bettdecke weiter auf und öffnete ein Fenster einen Spaltbreit; doch ehe sie das Zimmer auf Zehenspitzen verlassen konnte, erklärte er mit einem Seufzer, er fürchte, die Nachtluft sei so kühl, dass er sich erkälten könnte. Nachdem sie ihn dann wieder zugedeckt hatte, stand sie an der Türschwelle und wartete, dass sich seine Wimpern wieder auf seine Wangen senkten. Sobald das geschah, eilte sie die Treppe hinab in ihr Zimmer, in Gedanken schon bei ihrer weichen Matratze und von einer Nacht ungestörten Schlafes träumend. Doch bevor ihr Kopf noch das pralle Gänsedaunenkopfkissen berührte, begann das Glöckchen erneut zu läuten.
Sie warf sich also ihre Kleider wieder hastig über und lief die Treppe hinauf, nur um Gabriel ans Kopfende gelehnt vorzufinden, wie ein Engel lächelnd. Er hasse es, sie zu stören, erklärte er dann verlegen, aber würde es ihr vielleicht etwas ausmachen, seine Kissen aufzuschütteln, ehe sie sich für die Nacht zurückziehe?
In dieser Nacht jedoch ließ sich Samantha, anstatt in ihr Zimmer zu gehen, einfach in dem weich gepolsterten Lehnstuhl in Gabriels Salon nieder, um kurz ihre schmerzenden Füße hochzulegen.
Gabriel lag im Bett und tat so, als schliefe er, wartete jedoch auf das verräterische Knarren der Tür. An das behagliche Rascheln von Miss Wickershams Röcken, wenn sie geschäftig in seinem Zimmer auf und ab ging, die Kerzen ausblies und alle Sachen aufhob, die er auf den Boden hatte fallen lassen, ohne das Bett zu verlassen, hatte er sich richtiggehend gewöhnt. Sobald sie glaubte, dass er eingeschlafen war, würde sie ihren Fluchtversuch unternehmen. Er wusste jedes Mal, wann genau sie ging. Ihre Abwesenheit hinterließ eine fast greifbare Leere.
Aber heute Nacht hörte er nichts.
»Miss
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