Geheimnis der Liebe: Roman (German Edition)
läuten aufhören, bis Sie kommen.«
Sie rieb sich die müden Augen. »Ich hätte gedacht, ich sei der letzte Mensch, den er zu sich rufen würde. Besonders, nachdem er mich gestern praktisch aus seinem Schlafzimmer geworfen hat.«
Beckwith schüttelte den Kopf. Seine rot geränderten Augen und sein bebendes Kinn erweckten den Anschein, als fehlte nicht mehr viel, und er würde in Tränen ausbrechen. »Ich habe versucht, ihn zur Vernunft zu bringen, aber er besteht darauf, dass er nur Sie will.«
Obwohl seine Worte Samantha erstaunten, sagte sie bloß: »Nun gut. Ich bin gleich da.«
Sie kleidete sich rasch an. Sie war für die Schlichtheit ihres dunkelblauen Morgenrockes mit der hoch angesetzten Taille und die neue französische Mode dankbar. Wenigstens musste sie keine kostbare Zeit verschwenden, auf eine Zofe zu warten, die ihr das Korsett schnürte oder sich mit Hunderten von winzigen Seidenknöpfen abmühte.
Als sie aus ihrem Zimmer trat und sich mit einer Hand widerspenstige Strähnen in den hastig gesteckten Haar-knoten im Nacken schob, stand Beckwith schon im Flur, um sie zu Gabriels Schlafzimmer zu geleiten. Während sie über den langen Korridor und eine breite Treppe hinaufeilten, musste Samantha mit der Hand ein Gähnen unterdrücken. Von dem trüben Licht her zu urteilen, das durch die frisch geputzten Fenster auf dem Treppenabsatz fiel, begann der Morgen gerade erst heraufzudämmern.
Gabriels Schlafzimmertür stand einen Spaltbreit offen. Wäre nicht das heftige Läuten gewesen, hätte Samantha befürchtet, ihn dem Tode nahe auf dem Boden vorzufinden.
Stattdessen saß er an das geschnitzte Kopfteil seines Himmelbettes aus Teakholz gelehnt und wirkte völlig wohlauf. Er trug kein Hemd und offensichtlich auch keine Hosen, wie das auf seine Hüften hinuntergerutschte Seidenlaken verriet. Das Kerzenlicht warf einen goldenen Schimmer auf seine Haut, die ohnehin schon wie mit Goldstaub gesprenkelt aussah. Ihr Blick wurde wie magisch von dem beeindruckenden Schauspiel aus Muskeln und Sehnen angezogen, und Samantha spürte, wie ihr der Mund ganz trocken wurde. Schimmernde Haare verjüngten sich zur Mitte seines Bauches hin zu einem schmalen Band, bevor es schließlich unter dem Laken verschwand.
Einen Augenblick lang hatte Samantha Angst, Beckwith würde den Kerzenleuchter fallen lassen und sich die Hände vor die Augen schlagen. Bei dem erschreckten Aufstöhnen des Butlers läutete Gabriel sein Glöckchen ein letztes Mal.
»Also wirklich, Mylord!«, rief Beckwith und stellte den Leuchter auf ein Beistelltischchen, ehe er sich steif aufrichtete. »Meinen Sie nicht, Sie hätten sich wenigstens etwas bedecken sollen, ehe die junge Dame eintrifft?«
Gabriel legte bloß einen Arm auf den Berg Kissen neben sich und räkelte sich wie eine große, träge Katze. »Verzeihen Sie, Miss Wickersham. Mir war nicht klar, dass Sie noch nie eine nackte Männerbrust zu Gesicht bekommen haben.«
Dankbar, dass er die Röte nicht sehen konnte, die ihr in die Wangen stieg, erwiderte sie: »Seien Sie nicht albern. Ich habe schon viele Männer ohne Hemd gesehen.« Ihre Wangen wurden noch heißer. »Ich meine, während ich meinen Pflichten nachgegangen bin. Als Krankenschwester und Pflegerin.«
»Das ist gut. Aber ich möchte dennoch auf keinen Fall Ihr Zartgefühl verletzen.« Gabriel tastete in seinem Bett herum, bis er schließlich ein zerknittertes Halstuch fand. Er legte sich das Stück Stoff um den Hals und zog es zu einem unordentlichen Knoten zurecht, bevor er sich wieder in ihre Richtung umwandte und hinterhältig lächelte. »So, ist das besser?«
Irgendwie gelang es ihm, mit entblößter Brust und Halstuch noch verwegener auszusehen. Wenn das die Falle war, die er sich für sie erdacht hatte, dann hatte er seinen Köder klug gewählt. Sich weigernd, ohne Gegenwehr in seine Falle zu tappen, marschierte Samantha ungerührt zum Bett. Gabriel schnupperte, als sie sich über ihn beugte, einen Finger in den lockeren Knoten steckte und ihn aufzog.
Trotz seiner argwöhnischen Reglosigkeit und ihrer Bemühungen, genau das zu vermeiden, streiften ihre Finger doch immer wieder seine heiße, samtene Haut, während sie das spitzengesäumte Leinentuch einer Kaskade gleich band, wie es kein Kammerdiener gekonnter vollbracht hätte.
»So!«, erklärte sie und klopfte noch einmal befriedigt auf das Werk ihrer Hände. »Jetzt ist es besser.«
Gabriels lange Wimpern verbargen den Ausdruck seiner Augen. »Ich bin überrascht,
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