Geheimnis des italienische Grafen
du hierherkommen würdest, Thalia.“
„Und ich hätte eine Begegnung mit dir voraussehen sollen.“
Plötzlich krähte Psyche und strampelte mit den winzigen Beinchen.
Marco neigte sich zu ihr hinab. „Ah, das muss die jüngste Chase-Muse sein.“
„In der Tat.“ Thalia lachte leise. „Darf ich dir Lady Psyche de Vere vorstellen? Diese junge Dame hasst es, wenn sie ignoriert wird.“
„Da hat sie nichts zu befürchten. Eine solche Schönheit wird man wohl kaum ignorieren.“
„Weil sie eine ziemlich lautstarke Schönheit ist.“ Angelegentlich rückte Thalia das Rüschendeckchen ihrer Nichte zurecht. Dafür nahm sie sich viel Zeit, denn vorerst wollte sie Marco nicht in die Augen schauen. Seit sie Clios Brief gelesen und neue Erkenntnisse gewonnen hatte, wusste sie nicht, was sie mit diesem verwirrenden Mann besprechen sollte.
„Offenbar hast du schon mit ihrer klassischen Ausbildung begonnen“, bemerkte er. „Wie es sich für eine Chase gebührt.“
„Ja, das arme Baby … Von jetzt an wird sie nur Gutenachtgeschichten hören, die von Göttern und Göttinnen handeln. Wenigstens scheint sie sich für das alles zu interessieren.“
„Wird sie sich eines Tages schriftstellerisch betätigen, so wie ihre Tante?“
„Wenn ja, wird sie hoffentlich bessere Leistungen vollbringen.“ Die Hände um den Griff des Kinderwagens gekrampft, schaute sie Marco in die Augen. Ein schwaches Lächeln verzog seine Lippen. „Und sie wird sich sicher zu einer aufmerksameren Beobachterin entwickeln. Nicht immer wird sie voreilige Schlüsse ziehen.“
„Was meinst du?“, fragte er und legte den Kopf schief.
„Heute Morgen bekam ich einen Brief von Clio.“
„Ah! Und wie geht es der schönen Duchessa ?“
„Ausgezeichnet. Bald wird sie mit ihrem Gemahl nach England zurückkehren. Und sie hatte eine hochinteressante Geschichte zu erzählen. Von Maskeraden, Verkleidungen, Dieben …“
Marco nickte. Auf seinen gebräunten Wangen erschien eine leichte Röte. „Also weißt du Bescheid, cara .“
„Ob ich alles weiß, da bin ich mir nicht sicher. Nur etwas mehr als früher. Zum Beispiel, dass du der Komplize meiner Schwester warst – als Liliendieb.“
„Stimmt. Doch das ist lange her, das schwöre ich dir. Jetzt arbeite ich nur mehr mit legalen Methoden.“
Thalia lachte. „Verzeih mir, Marco. Aber wenn du behauptest, du würdest nie mehr gegen die Gesetze verstoßen – das kann ich dir einfach nicht glauben.“
„Nun ja – du hast recht“, gab er zu und schenkte ihr jenes warme, vertrauliche Lächeln, das stets ein wohliges Prickeln in ihr hervorrief. Wie in einem grässlichen Kitschroman … „Aber ich verspreche dir – von nun an werde ich versuchen, brav zu sein.“
„Nicht zu brav , hoffe ich“, murmelte sie.
„Für dich, cara – niemals.“ Seine Hände berührten ihre, die den Griff des Kinderwagens umfassten, so warm und verlockend, trotz des Handschuhleders.
Viel zu gut erinnerte sie sich an den leidenschaftlichen Kuss im Vorraum der Grimsbys. Und dann im Salon ihrer Schwester. Und in den Sydney Gardens. Durch gesenkte Wimpern betrachtete sie den Schwung seiner Lippen, sein markantes Kinn, die schwarzen Locken, die sie zu einer Liebkosung herausforderten. Wie gern würde sie die Stelle unterhalb seines Ohrs küssen, seine Haut schmecken …
Mühsam riss sie ihren Blick von ihm los, beinahe blieb ihr Atem in der Brust stecken. „Warum hast du mir nichts über die Liliendiebin erzählt?“, wisperte sie.
Noch immer schaute er sie an. Viel zu intensiv spürte sie die Glut seiner dunklen Augen, die alles sahen. „ Mein Geheimnis war es nicht. Das hättest du von Clio erfahren müssen.“
„Und der Teil, den ich nicht kennen? Ist das auch Clios Geheimnis?“
„Wieso glaubst du, es gebe etwas, das du noch immer nicht weißt?“
„Weil es immer etwas gibt, das ich nicht weiß. Meine Familie nimmt an, ich wäre zu dumm, um lückenlose Informationen zu verkraften, und man müsste mich beschützen.“
„Wer dich für dumm hält, ist ein Narr, Thalia.“ Mit sanften Fingern berührte Marco eine Locke, die unter ihrer Hutkrempe hervorlugte. „Aber ich verstehe, warum deine Familie dich schützen will.“
„Weil ich nur eine dumme Frau bin?“
„Weil dieses Licht aus dir strahlt.“
Thalia bezwang den Impuls, die Wange an seine Hand zu schmiegen, die immer noch ihr Haar berührte, die Augen zu schließen, in Marcos Nähe zu schwelgen. In jenem beglückenden Gefühl, eine
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