Geheimnis des italienische Grafen
ihr, und die eine gehörte eindeutig Lady Riverton. Diesen Tonfall hatte Thalia in Santa Lucia gehört, wenn Ihre Ladyschaft verärgert über den armen Mr Frobisher gewesen war. Die andere Stimme klang leise und rau – eine Männerstimme mit ausgeprägtem nordenglischem Akzent.
Da sie nur einzelne Wortfetzen verstand, schlich Thalia vorsichtig näher.
„… deine Freunde schon getroffen?“, fragte Lady Riverton. „Viel mehr Zeit haben wir nicht mehr.“
„Nur Geduld“, erwiderte der Mann und lachte spöttisch. „Solche Leute darf man nicht drängen.“
„Immerhin waren sie schnell genug, um mein Geld zu nehmen! Wann soll die Lieferung erfolgen?“
„Das habe ich dir doch gesagt …“
„Nein, ich habe es dir gesagt! Lange genug musste ich warten. Die Höhle ist für den Transport vorbereitet. Eine Woche lasse ich mich noch hinhalten. Länger nicht! Wenn ihr den Rest des Geldes bekommen wollt, du und deine sogenannten Freunde, wirst du meine Wünsche erfüllen.“
„Moment mal!“ Der spöttische Ton ging in eine unmissverständliche Drohung über. „Glaubst du etwa, du kannst uns betrügen, eh? Das wäre verdammt unklug.“
„Nur wenn du mich zuerst betrügst. Diese Fracht ist sehr wichtig. Alles werde ich tun, um sie zu schützen.“ Nun senkte Lady Riverton ihre Stimme, und Thalia neigte sich vor, die Ohren gespitzt. „Alles.“
„Aye, das hast du mir schon bewiesen.“ Gaze raschelte, vom unverkennbaren Geräusch atemloser Küsse begleitet. Unbehaglich schnitt Thalia eine Grimasse und zog sich in ihr Versteck zurück. Was jetzt zwischen Kleopatra und ihrem bulligen Pharao geschah, musste sie wirklich nicht beobachten.
Aber – eine Fracht, eine Höhle … Solche Informationen brauchte sie. Mit der „Fracht“ war offenbar das Silber gemeint – oder ein ebenso kostbares antikes Kunstwerk, das bald für immer für die Öffentlichkeit verloren gehen mochte.
Die Höhle – nun, die konnte sich natürlich überall befinden. In den Hügeln rings um Bath gab es unzählige Kalksteinhöhlen.
Das musste sie Marco erzählen. Sicher würde er wissen, was zu tun war.
Im Hof erklang ein lustvoller Schrei, und Thalia zuckte zusammen. Hastig kehrte sie ins Treppenhaus zurück.
Ja, sie musste Marco Bescheid geben. Aber nicht hier. Nicht auf einem öffentlichen Ball. Jedes Mal, wenn sie ungestört mit ihm reden wollte, schienen sie in eine ähnliche Situation zu geraten wie Lady Riverton und ihr Pharao. Dann wäre es womöglich nur eine Frage der Zeit, bis sie ertappt wurden.
Die Röcke gerafft, wich sie zurück, bis sie außer Hörweite war. Dann rannte sie die Stufen hinauf, zurück in den Ballsaal.
Sie nahm ein Glas Wein vom Tablett eines Lakaien, der an ihr vorbeiging. Mit einem großen Schluck stärkte sie sich. Ihr Herz pochte wie rasend. Nun verstand sie, warum Clio und Marco die Liliendiebstähle organisiert hatten. Einfach wundervoll, diese riskanten Abenteuer …
„Haben Sie vielleicht Ihr Schaf verloren, Signorina?“, hörte sie Marco fragen und drehte sich um. Psyches Spielzeug in der Hand, stand er grinsend hinter ihr.
„Oh, ich bin so eine arme, ungeschickte Schäferin“, antwortete sie und tauschte ihr leeres Glas gegen das Holzschaf aus.
„Aber wie ich mich entsinne, eine ausgezeichnete Tänzerin.“
„O ja, einen lebhaften Tanz weiß ich zu schätzen.“ Kokett musterte sie ihn durch die Augenschlitze ihrer Maske. „Besonders mit einem guten Tänzer.“
„Ah, Signorina, ich glaube, über meine tänzerischen – und gewisse andere – Fähigkeiten haben wir schon diskutiert.“ Marco reichte das leere Glas einem Lakaien und ergriff Thalias Hand. „Sind Sie bereit?“
Lachend nickte sie und ließ sich zur Tanzfläche führen – welche Abenteuer auch immer auf sie warten mochten.
15. KAPITEL
„Nun, Thalia mia, worüber wolltest du mit mir reden?“, fragte Marco, während sie am Morgen nach dem Maskenball wieder einmal durch die Sydney Gardens wanderten.
Der Himmel schimmerte perlgrau, wie so oft in Bath. Aber Thalia ignorierte die Wolken, immer noch von der prickelnden Aufregung des Vorabends erfüllt. So großartig fand sie es, heimlich zu spionieren, endlich wieder etwas Wichtiges zu tun – und Marco vielleicht zu beeindrucken.
Lächelnd schaute sie zu ihm auf, als sie an seinem Arm dahinschlenderte. Nach dem äußeren Schein waren sie einfach nur eines der eleganten Paare, die im Park die frische Morgenluft genossen. Aber sie hatte ihn letzte Nacht nicht um
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