Geheimnis des italienische Grafen
schlug sie mit ihrem zusammengeklappten Fächer auf seinen Arm. „So unartig waren Sie, Conte di Fabrizzi! Ohne ein Wort einfach zu verschwinden! Natürlich habe ich einen neuen Begleiter gebraucht. Und Signor de Lucca war überaus charmant.“
Die Brauen erhoben, musterte er Domenico über den gefiederten Turban der Lady hinweg.
Unschuldig zuckte Domenico die Achseln. Aber Marco ließ sich nicht hinters Licht führen.
„Eine so schöne Dame allein zu sehen – das ertrage ich einfach nicht“, säuselte Domenico.
„Hoffentlich werden Sie beide kein Duell ausfechten.“ Lady Riverton kicherte wie ein junges Mädchen. „Seien Sie versichert, das wäre nicht nötig. In meiner Loge ist Platz für zwei Gentlemen.“
„Heute Abend muss ich Ihre großzügige Einladung ablehnen, meine Liebe“, erwiderte Marco. „Aber ich würde mich freuen, Sie bald wiederzusehen. Auch dich, Domenico.“
„Besuchen Sie mich morgen zum Tee“, schlug sie vor. „Da werden Sie Gäste treffen, die Ihnen sicher gefallen.“
Marco beugte sich noch einmal über ihre Hand. Dann galt ihr Interesse wieder ihrem blonden Gefährten.
Buono, dachte Marco zufrieden. Für den restlichen Abend wird sie ihn ablenken.
Und ich kann mich unbemerkt meinen eigenen Geschäften widmen .
14. KAPITEL
Thalia hielt die Maske vor ihre Augen und musterte ihr Spiegelbild. Durch die schmalen Augenschlitze mit den vergoldeten Lederrändern betrachtet, sah die Welt ganz anders aus.
Statt der Vielfalt von Farben und Eindrücken, die ihr stets so wundervoll erschienen war, statt des schwindelerregenden Übermaßes an Möglichkeiten gab es nur ein einziges Ziel. Sie musste Marco helfen, endlich herauszufinden, wo Lady Riverton das Tempelsilber versteckt hatte. Und wer der livrierte Mann mit der Narbe war …
Sie senkte die Maske und inspizierte ihr Kostüm. Wie eine Schicksalsgöttin oder eine Furie wirkte sie nicht – keineswegs wie eine Gestalt, die man fürchten musste. Das Schäferinnengewand war aus hellrosa Brokat mit silbernem Netzgewebe, silberne Satinbänder hielten die Puffärmel zusammen. Noch mehr Bänder rafften den Saum an mehreren Stellen hoch, entblößten rosa Strümpfe und silberne Schuhe.
Mit weiteren Bändern geschmückt, bedeckte ein großer Strohhut die gepuderte Perücke, die Thalia aufgesetzt hatte. Auch ihre Wangen waren gepudert, zudem mit Rouge geschminkt. Also würde man sie wohl kaum erkennen.
Ja – wie ein völlig harmloses Bonbon sah sie aus. Umso besser, denn sie musste Lady Riverton beschatten und feststellen, ob die Frau ein geheimes Stelldichein mit dem vermeintlichen Lakaien plante.
„Bist du fertig, meine Liebe?“, rief Calliope im Korridor. „Die Kutsche wartet!“
„Sofort!“ Thalia verknotete die Satinschnüre ihrer Maske am Hinterkopf. Dann ergriff sie einen Hirtenstab mit flatternden Bändern und ein kleines Holzschaf auf Rädern, das sie sich von Psyche ausgeliehen hatte. Jetzt war sie gerüstet.
Unter Calliopes Aufsicht war der Ballsaal des Queen’s Head Inn – ein großer rechteckiger, schmuckloser Raum – ins Wunderland einer venezianischen Nacht verwandelt worden. Von der Balkendecke hingen mitternachtsblaue und goldene Stoffbahnen herab und erzeugten die Atmosphäre einer Abenddämmerung. An einem Ende des Saals musizierte das Orchester auf einem Podium. Ein großer Teil des Parkettbodens diente als Tanzfläche. Zu beiden Seiten standen kleine Spieltische, mit blau-goldenen Tüchern verhüllt, mehrere Sitzgruppen luden zu gemütlichen Plaudereien ein.
Ein großes Gemälde, das die Rialtobrücke bei Nacht zeigte, prangte gegenüber dem Podium. Dadurch entstand die Illusion, der Raum wäre aus Bath – sogar aus England – entfernt und in die Magie Italiens befördert worden.
„O Callie!“, wisperte Thalia und schaute sich mit großen Augen um. „Einfach perfekt!“
Aber Calliope, eine Athene in weißer Seide, mit vergoldetem Helm und Schild, schüttelte den Kopf. „Ich wünschte, ich hätte Orangen- und Zitronenbäume beschaffen können. Oder ein oder zwei Olivenbäume.“
„Das sagte ich doch, Liebes – wir befinden uns in einer Stadt “ , betonte Cameron und ergriff ihre Hand. Er trug einen weißen Chiton und vergoldete Sandalen. Um sein dunkles Haar rankten sich goldene Weizengarben. Wie vollkommene Gottheiten sahen die beiden aus – als wären sie soeben vom Olymp herabgestiegen, um die Erde mit Schönheit und Weisheit zu beschenken. „Niemand wird auf dem Markusplatz einen
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