Geheimnis des italienische Grafen
Obstgarten vermissen. Glaub mir, deine Dekoration ist grandios.“
Damit schien er seine Gemahlin nicht zu überzeugen. Kritisch fixierte sie die Behänge. „Vielleicht nicht … Aber jetzt muss ich mich um die Erfrischungen kümmern. Bleib um Himmels willen an meiner Seite, Cameron! Oh, hätten wir den Ball doch in unserem Haus veranstalten können!“
Die beiden eilten davon und ließen Thalia beim Eingang stehen. So früh am Abend waren noch keine Gäste eingetroffen, und die Musiker stimmten gerade ihre Instrumente. Einige Dienstboten stellten Weingläser und Tabletts mit den Erfrischungen bereit, um die Calliope sich sorgte.
Den Beginn eines Balls genoss Thalia immer ganz besonders. So vieles gab es, worauf man sich freuen konnte, so viele Möglichkeiten.
Sie schlenderte durch den Saal und zog ihr kleines Holzschaf auf Rädern hinter sich her. Da und dort glättete sie die Draperien oder rückte Weingläser zurecht.
Dann blieb sie vor dem Gemälde stehen und bewunderte die nächtliche Rialtobrücke. Über weißem Stein schimmerte ein tiefvioletter Himmel und erzeugte einen venezianischen Zauber voller Mysterien und luxuriöser Dekadenz. Wehmütig erinnerte sie sich an die machtvolle Pracht Italiens, die alten geschichtsträchtigen Gebäude. So oft hatten sie den Eindruck erweckt, sie würden nach ihr rufen und sie auffordern, ihre wahre Heimat zwischen ihnen zu finden, sich für immer in ihrer Schönheit zu verlieren.
So ähnlich wie ein gewisser Italiener, den sie kannte …
„Thalia!“, hörte sie Calliope rufen. „Komm, meine Liebe, da sind die ersten Gäste!“
Und da fand Thalia keine Zeit mehr, der Lockung Italiens nachzutrauern.
Fast eine Stunde lang begrüßte sie die Leute, geleitete sie zu den Erfrischungen oder zu passenden Tanzpartnern und beruhigte Calliope. Danach fand sie, nun hätte sie ihre Pflichten zur Genüge erfüllt, und mischte sich unter die Gäste.
Kaum zu glauben, wie still und beschaulich der Saal bei ihrer Ankunft gewesen war … Jetzt drängte sich eine merkwürdige, bunt gemischte Schar auf dem Parkett. Griechische Götter, mittelalterliche Königinnen, Zauberer in wallenden Roben, farbenfroh gekleidete Zigeuner hielten sich an den Händen und hüpften im Takt der Musik.
Auch die Spieltische waren voll besetzt. Mehrere Heinrichs VIII. und Katharina de Medicis legten ihre Wetteinsätze auf die blau-goldenen Tücher. Und Calliope musste sich wahrlich nicht wegen der Erfrischungen sorgen, denn alle bedienten sich eifrig und genüsslich.
Aber Thalia entdeckte keine Kleopatra, ebenso wenig jemanden, der Marco sein könnte. Ganz egal, welche Verkleidung er gewählt haben mochte – sie würde ihn sofort erkennen.
Ihr kleines Holzschaf unter den Arm geklemmt, plauderte sie lächelnd mit verschiedenen Gästen und winkte den Tänzern zu. Am anderen Ende des Saals beriet sich Calliope mit zwei Lakaien. Sicher war sie für den restlichen Abend abgelenkt. Nichts liebte sie so sehr, wie gesellschaftliche Ereignisse generalstabsmäßig zu organisieren.
Schade, dass Cameron keine politischen Ambitionen hat, überlegte Thalia. Callie würde ihm binnen kürzester Zeit zum Amt des Premierministers verhelfen. Doch er interessierte sich, wie auch die Chases, nur für historische Themen und die Kunst der Antike.
„Da ich gerade ans Altertum denke …“, murmelte Thalia und beobachtete Kleopatras Auftritt.
Lady Riverton trug ein Kleid aus türkisfarbener und goldener Gaze, mit einem breiten Kragen voller Juwelen und einer goldenen Schärpe. An ihren nackten Armen funkelten schlangenförmige Goldreifen, an den Füßen schimmerten türkisblaue Sandalen.
Glücklicherweise hatte Thalia der Schneiderin wertvolle Informationen entlockt. Sonst hätte sie die Viscountess nicht erkannt, die sich effektvoll mit einer schwarzen Perücke und einer goldenen Maske tarnte.
Ihre Hand lag auf dem Arm eines hochgewachsenen, muskulösen Pharaos. Nur unvollkommen verdeckten weiße Gazestreifen seine imposante Brust. Auch er trug eine schwarze Perücke, auf der ein blau-goldener Kopfschmuck thronte. Unter dem Rand der goldenen Maske ragte eine Narbe hervor.
Fehlte nur noch die Barke der Sonne, auf glitzernden Nilwellen …
Auf dem Weg zur Tür verwünschte sie ihr üppiges Kostüm, denn ein Satinband blieb am Pappschwert eines Ritters hängen. Was hatte sie sich bloß dabei gedacht? Mit all dem Firlefanz konnte sich eine Schäferin niemals unauffällig bewegen.
Kleopatra und ihr Pharao nahmen
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