Geheimnis des Verlangens
Jahre alt sein. Die ist doch keinen Tag jünger als dreißig!«
»Harte Arbeit läßt viele Menschen frühzeitig altern«, sagte Serge. »Und selbst ihr Name, Tanya, ist...«
»Genug«, zischte Stefan. »Jeder von uns weiß, wie sich die Sache beweisen läßt. Ich schlage vor, wir kümmern uns jetzt besser darum, diesen Beweis schleunigst zu erbringen — so oder so. Es ist jedenfalls völlig sinnlos, hier herumzustehen und über Wahrscheinlichkeiten zu debattieren.«
Vasili protestierte immer noch: »Aber es ist doch Wahnsinn, sie auch nur in Betracht zu ziehen!«
»Es gibt da nichts in Betracht zu ziehen, wenn sie wirklich diejenige ist, nach der wir suchen, Vasili . Das weißt du genausogut wie ich.«
»Dann wäre es mir eindeutig lieber, es gar nicht erst herauszufinden«, antwortete Vasili . »Aber ich glaube auch keine Sekunde lang, dass sie es ist. Die Umstände allein überzeugen mich jedenfalls nicht.«
»Aber die Mondsichel auf ihrem Hinterteil wird dich überzeugen.«
»Zur Hölle mit dir, Stefan! Aber na schön. Wenn du darauf bestehst, danach zu suchen, wirst du das jedenfalls ohne meine Hilfe tun müssen. Ich weigere mich, diesem übellaunigen Weib noch einmal nahe zu kommen.«
»Ich bezweifle, dass ich deine Hilfe dabei brauchen werde«, sagte Stefan gepreßt. »Ich denke doch, dass ich ein paar Münzen erübrigen kann, und mehr braucht es wohl nicht, um eine Hure dazu zu bringen, ihre Röcke zu heben.«
Diese Worte trieben Vasili flammende Röte ins Gesicht. Er hatte es selbst gesagt, hatte sie selbst mehr als einmal eine Hure genannt, aber dieses Wort jetzt aus Stefans Mund zu hören, war etwas ganz anderes. Eine Hure für den Thron von Cardinia? Wie konnte sein Vetter diese Möglichkeit auch nur in Erwägung ziehen?
Bevor die beiden Vettern auf die Idee kommen konnten, ihre Meinungsverschiedenheit mit den Fäusten auszutragen, stellte sich Lazar zwischen sie. »Wie wär's, wenn ich das Mädchen suche und sie einfach frage, ob sie vielleicht irgendwelche ungewöhnlichen Male auf ihrem Körper trägt? Wenn sie diesen verdammten Mond beschreiben kann, können wir uns und ihr weitere Peinlichkeiten ersparen.«
»Sie wird keine so persönliche Frage beantworten, ohne den Grund für diese Frage zu kennen«, sagte Serge. »Und wenn sie's wüßte, würde sie sich eigenhändig eine Mondsichel auf ihren Hintern ritzen. So eine Chance, wie wir sie ihr bieten, läßt sie sich bestimmt nicht entgehen.«
»Wir werden ihr nicht sagen, wonach wir suchen, Serge«, erklärte Lazar geduldig. »Sie müßte es uns sagen ...«
»Seid Ihr immer noch hier?« fragte die Frau, um die sich ihre Überlegungen drehten. Mit einem vollbeladenen Tablett stand sie am Fuß der Treppe und sah zu ihnen hinauf. »Na schön. Da ist die Tür. Und beeilt Euch gefälligst ein bisschen . Dobbs wartet auf sein Frühstück.«
»Das ist uns nicht entgangen«, sagte Stefan und ging langsam die Treppe hinunter. »Bringen Sie's um Himmels willen zu ihm rein!«
»Aber Stefan ...« Eine ungeduldige Geste brachte Lazar augenblicklich zum Schweigen.
Tanya musste warten, bis sie alle heruntergekommen waren, so schmal war die Stiege. Sie war nervös, denn das Tablett in ihren Händen behinderte sie und machte sie für den Augenblick wehrlos. Diese Teufelsaugen glühten zwar jetzt nicht, aber ihre Erleichterung vom gestrigen Abend hatte sich als Irrtum erwiesen. Sie konnten wirklich glühen, oder jedenfalls erweckten sie manchmal den Anschein. Dieses helle Leuchten, das sie in ihnen gesehen hatte, konnte nicht vom Kerzenlicht herrühren, denn heute morgen hatte es keins gegeben. Im Augenblick war es allerdings der Hübsche, dessen Augen glühten, obwohl... Gott steh ihr bei! Sie brannten tatsächlich genauso hell wie die des anderen! Sie wirkten nur nicht so satanisch und gefährlich in diesem Engelsgesicht. Aber der brennende Blick dieser Augen ruhte jetzt auf ihr. Aus irgendeinem Grund verachtete der Mann sie. Seine Verachtung hatte sie am gestrigen Abend wie eine Ohrfeige getroffen, und heute morgen sah er aus, als würde er sie am liebsten vom Erdboden auslöschen. Nun, dieses Gefühl beruhte ganz auf Gegenseitigkeit. Der Schmerz, den er ihr zugefügt hatte, hatte sie fast erstickt. Der Mann hatte sie auf eine Art und Weise verletzt, die sie zutiefst gekränkt hatte, und der bloße Gedanke daran trieb ihr wieder die Tränen in die Augen. Lieber würde sie jeden Tag Dobbs' Stock auf ihrem Rücken ertragen, als diese Art von Verachtung
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