Geheimnis des Verlangens
diesem Teufel. Es von ihm verlangen? Das klang in ihren Ohren wirklich nicht schlecht. Aber sie wagte es nicht — oder?
So nahe dran war Tanya, ihren Gefühlen freien Lauf zu lassen, als ein lautes Räuspern verkündete, dass sie nicht länger allein waren. Stefan seufzte, küßte ihre Wange und stemmte sich hoch. Seine Stimme klang außerordentlich schroff, als er sich an seinen unwillkommenen Freund wandte.
»Obwohl mir die Loyalität, die euch hinter mir in den Fluß geschickt hat, das Herz wärmt — gerade jetzt würde ich euch am liebsten zum Hades wünschen. Die Prinzessin möchte für einen Augenblick ungestört sein, also dreh dich um.«
Wieder röteten sich ihre Wangen vor Verlegenheit. Sie war nackt, aber sie hatte diese qualvolle Tatsache vorübergehend vergessen. Er nicht. Er setzte sich auf und streifte lässig seinen Rock ab, und als sie sich ebenfalls hinsetzte, warf er ihn ihr in den Schoß. Hastig schlüpfte sie hinein und kostete die Wärme aus, die sein Körper dort zurückgelassen hatte, obwohl der Stoff noch immer ziemlich klamm war. Als einziges Kleidungsstück war der Rock jedoch alles andere als angemessen, denn er hatte nur ein paar Knöpfe, die sich für gewöhnlich über Stefans Brust schlössen. Bei Tanya dagegen saß der oberste Knopf an ihrem Nabel. Aber wenigstens war es ein Gehrock, und er reichte ihr bis über die Knie. Er würde seinen Zweck erfüllen, solange sie ihn nur fest geschlossen hielt.
Im Gebüsch waren jetzt noch mehr Geräusche zu hören, und die beiden anderen kamen näher. Tanya begriff nun auch, wer sie als erster entdeckt hatte, denn Lazar rief: »Hier drüben!« Aus dem Gebüsch erklang darauf die Frage: »Hast du Stefan gefunden?«
»Ja. Und er unseren kleinen Fisch.«
Der >kleine Fisch< zog eine Grimasse, die in der Dunkelheit niemand sehen konnte. Sie fragte sich, ob sie sich nicht vielleicht ganz leise davonstehlen konnte, während die Männer noch damit beschäftigt waren, hin und her zu brüllen. Eine Hand, die sie nicht hatte kommen sehen, half ihr auf die Füße und blieb dann an ihrem Ellbogen zurück, um sie von dieser Idee zu kurieren. Heute nacht würde sie nicht noch einmal entkommen. Das würde Stefan ganz sicher zu verhindern wissen. Aber morgen ...
Kapitel 20
E s lag jetzt schon eine ganze Anzahl von Jahren zurück, dass Tanya das letzte Mal draußen geschlafen hatte, aber sie war trotzdem nicht weiter verblüfft, als sie beim Aufwachen den feuchten Geruch des Flusses einatmete. Sie war daran gewöhnt, mit klarem Kopf und wachen Sinnen aus dem Schlaf zu kommen. Dobbs hatte ihr das beigebracht, weil er seine mieseste Laune am Morgen zu haben pflegte, und weil es zu dieser Zeit folglich am ehesten Ohrfeigen setzte, falls sie einen Befehl nicht verstand und auf der Stelle reagierte.
Jetzt machte sie sich Gedanken um Dobbs und darüber, was gestern wohl passiert sein mochte, als er am späten Nachmittag aufwachte und sie nicht auf seinen allerersten Schrei hin herbeigerannt kam — oder wenigstens auf den dritten oder vierten hin, wie es in letzter Zeit häufig der Fall gewesen war, als ihre Unabhängigkeit sich mehr und mehr durchsetzte. Wer hatte wohl das Harem für ihn geöffnet? Jeremiah? Aber der war nur hinter der Theke zu gebrauchen, wenn es darum ging, Drinks auszuschenken. Er wusste nicht einmal, auf welche Weise die Vorräte ergänzt werden musste n.
In ihren Gedanken wuchs die Liste von Dingen, die in der Taverne getan werden musste n, und von denen weder Jeremiah noch Aggie auch nur die geringste Ahnung hatten. Und sie hatten* außerdem keine Tänzerin, bis Aprils Fuß wieder in Ordnung war. Ein oder zwei Abende konnten sie auch ohne diese Unterhaltung durchstehen, aber dann würde es sich herumsprechen, und der Umsatz würde drastisch zurückgehen.
Panik stieg in ihr hoch, als sie sich vor Augen führte, wie ihr zukünftiger Lebensunterhalt einen ernstlichen Rückschlag erlitt, weil sie nicht da war, um darüber zu wachen. Das Harem würde vielleicht sogar gezwungen sein zu schließen, oder noch schlimmer: Dobbs könnte jemand anderen finden, der sich um die Taverne kümmerte. Diese erzwungene Abwesenheit konnte ihre ganze Zukunft ruinieren. Stefan sollte in der Hölle schmoren, dafür dass er sie gestern nacht gefunden hatte.
Sie waren in der Nacht an die Stelle zurückgekehrt, an der Tanya ihre Kleider gelassen hatte, wobei sie und Stefan vorausgegangen waren, so dass sie Zeit genug hatte, sich umzuziehen, bevor die anderen
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