Geheimnis des Verlangens
eingeschlossen war, mit Stefan als ihrer einzigen Gesellschaft. Er ließ sich ja nicht einmal von ihrer Gleichgültigkeit provozieren. Nicht dass sie das gewollt hätte; ihre Kämpfe mit ihm hatten ihr nie etwas anderes eingetragen als Zorn und Enttäuschung.
»Wenn Ihr eines von den Kleidern anzieht, die wir für Euch besorgt haben, könnt Ihr uns heute abend im Salon beim Dinner Gesellschaft leisten.«
Tanya war im Zimmer auf und ab gegangen und hatte Stefan nicht hereinkommen hören. Jetzt hielt sie zwar inne, drehte sich aber nicht zu ihm um. Sie hatte nicht einmal einen einzigen Blick auf die beiden Kleider geworfen, die er ihr in jener Nacht im Hotel gegeben hatte. Sie hatte ihm gesagt, dass sie keine Kleider von ihm annehmen würde, und das war durchaus ihr Ernst. Statt dessen hatte sie ihre eigenen Kleider gewaschen, immer ein Teil pro Tag, so dass sie sich niemals vollständig entkleiden musste .
»Diesmal erwarte ich eine Antwort, Prinzessin, oder ich gehe davon aus, dass Ihr es vorzieht, wieder allein zu essen.«
Das würde sie überhaupt nicht vorziehen. Sie hatte die anderen nicht einmal gesehen, seitdem sie Natchez zum zweitenmal verlassen hatten, und sie konnte sie nicht gut gegeneinander aufbringen — falls das überhaupt möglich war —, solange sie mutterseelenallein in ihrer Kabine hockte.
»Na schön«, sagte sie tonlos, immer noch von ihm abgewandt.
»Und Ihr werdet Euch umziehen?«
Sie warf einen flüchtigen Blick auf den kleinen Koffer, der die beiden Kleider enthielt und dazu noch eine Anzahl von Dingen, die Stefan in Natchez für sich selbst erstanden hatte.
»Warum muss ich das?« fragte sie.
»Weil wir keine Lust haben, noch einmal von Eurem maskulinen Äußeren in Verlegenheit gebracht zu werden.«
Tanya versteifte sich. Ging das jetzt wieder los? Wollte er sie wieder beleidigen? Oder war das nur die freundlichste Art und Weise, wie er zum Ausdruck bringen konnte, dass sie einfach lächerlich aussah in seinem Wams und seinem Hemd. Ihr persönlich sollte das eigentlich nichts ausmachen, da sie sich noch nie in ihrem Leben zu dem Zweck gekleidet hatte, attraktiv zu wirken. Aber es aus Stefans Mund zu hören, war etwas ganz anderes.
»Zeigt mir erst einmal einen Mann in Röcken, bevor Ihr meine Kleider maskulin nennt«, sagte sie, nur um zu widersprechen. »Schon gut, ich werde eines von Euren Kleidern tragen, aber ich hoffe bei Gott, dass es nicht paßt.«
»Das ist durchaus möglich. In dem Falle könnt Ihr nach eigenem Ermessen handeln, und das Kleid aussuchen, das am wenigsten ungeeignet ist.«
Dieser Befehl war also nicht so unerbittlich wie gewöhnlich. Dann fiel ihr ein, dass Stefan es verabscheute, wenn sie hübsch aussah, und sie hoffte, dass sie in dem Kleid geradezu schön sein würde. Aber das war nicht sehr wahrscheinlich, wenn man in Betracht zog, dass man für keines der beiden Kleider an ihr Maß genommen hatte. Und Männer hatten für gewöhnlich wenig Ahnung von solchen Dingen.
»Wieviel Zeit habe ich?«
»Dreißig Minuten.«
»Ich werde ein paar Haarnetze benötigen.«
»Ihr werdet wohl ohne auskommen müssen.«
»Ihr erwartet ein Wunder von mir?«
»Nur etwas halbwegs Präsentables.«
Sie spürte die Belustigung in seiner Antwort, wollte ihn aber nicht ansehen, um sich dessen zu versichern. »Dann laßt mich jetzt allein damit.«
»Werdet Ihr Hilfe brauchen mit den Knöpfen und solchen Dingen?«
»Nicht von Euch, aber Ihr könnt Vasili herschicken, um mich abzuholen. Wenn ich Hilfe brauche, ist er als mein Verlobter ja gerade der Richtige.«
Das Zuschlagen der Tür war seine Antwort auf diese Bemerkung. Zum erstenmal seit Tagen lächelte Tanya. Sie hatte vergessen, wie leicht es war, Stefan zu provozieren. Sie würde es nicht wieder vergessen.
Kapitel 25
E s war dann auch tatsächlich Vasili , der eine halbe Stunde später auftauchte, um sie zum Dinner zu begleiten. Aber Tanya hatte zugesehen, dass sie mit ihrem Kleid auch ohne Hilfe zurechtkam, obwohl sie sich damit um ein Haar eine Zerrung ihrer Schultermuskeln eingehandelt hätte, so sehr musste sie sich verrenken, um die Knöpfe selbst zu schließen. Sie hätten wirklich Kleider aussuchen können, in die man leichter hinein-und wieder herauskam, aber sie wollte sich nicht beklagen. Sie war so verblüfft über ihre Erscheinung, dass sie nur dümmlich grinsen konnte, als Vasili sie anstarrte; in seinem Blick spiegelte sich ihr eigenes Erstaunen wider.
Die beiden Kleider, die zur Auswahl
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