Geheimnis des Verlangens
einen Beweis zu «liefern. Die Wirkung, die diese Erkenntnis auf sie hatte, war schrecklich. Schmerz schnürte ihr den Hals zu. Ihr Gesicht verlor seine Farbe. Und wenn sie vorher nicht Amok gelaufen war, dann tat sie es jetzt.
Sie wusste nicht, wie sie zu ihm hingekommen war, aber ihre Hände begannen irgendwann zu schmerzen und brachten ihr zu Bewußtsein, dass sie mit beiden Fäusten auf seine Brust einhieb. Und er ließ sie gewähren, tat nichts, um sie aufzuhalten. Er ließ es zu, dass sie ihn anbrüllte und ihn mit jedem Schimpfwort belegte, das ihr in den Sinn kam. Und dann legten sich plötzlich seine Arme um sie, und er hielt sie fest, während sie sich das Herz aus dem Leibe weinte.
»So schlimm ist es doch wirklich nicht, Tanya.«
»Ihr wißt gar nicht, was Ihr da getan habt!«
»Doch. Ich habe es Euch möglich gemacht, Euch ohne Bedauern von diesem Leben zu trennen.«
Sie versteifte sich. Seine Arme schlössen sich noch enger um sie. Trotzdem riß sie sich von ihm los, und in dem tränenfeuchten Blick, den sie ihm zuwarf, lagen Ungläubigkeit und Zorn.
»Ihr zerstört das Leben, das ich für mich geplant habe, und ich soll das nicht bedauern? Seit ich mich erinnern kann, habe ich in dieser Taverne wie ein Sklave geschuftet, und nicht ein einziges Mal, nie, bin ich dafür bezahlt worden. Das einzige, was ich in all den Jahren bekommen habe, war Essen, ein Bett und Schläge, wo immer ich gerade auftauchte. Sogar meine Kleidung bestand aus den abgelegten Sachen von Iris und Dobbs. Aber endlich sollte ich für all das entschädigt werden, weil dieser alte Bastard nicht länger für sich sorgen konnte. Und das alles nehmt Ihr mir weg, aus einer bösartigen Laune heraus?«
»Nicht bösartig. Eure wiederholten Versuche, hierher zurückzukehren, ließen uns nur zwei Möglichkeiten: zu beseitigen, was immer Euch hierherzog, oder Euch auf der Stelle zu verheiraten, um die Sache endgültig zu klären.«
»Was ist passiert? Hat sich dieser schafsköpfige eitle Fatzke, den Ihr König nennt, nicht bereitgefunden, mich eher als unbedingt notwendig zu heiraten?« höhnte sie und machte ihm damit klar, wie wenig sie ihm glaubte. »Nicht dass dadurch irgendeine Sache endgültig geklärt wäre. Ich würde mir die Geschichte, die Ihr dem Kapitän der Lorelei erzählt habt, zum Vorbild nehmen und ihn noch in derselben Minute verlassen.«
»Ich verstehe«, sagte er gepreßt.
»Nein, das tut Ihr nicht. Ihr werdet niemals begreifen, was Ihr mir gestohlen habt: meine Träume, das einzige, was ich mehr als irgend etwas sonst in der Welt gewollt habe — Kontrolle über mein eigenes Leben. Nur reiche Witwen erlangen die Art von Freiheit, die ich ersehnt habe. Aber ich habe durchaus nicht die Absicht, erst zu heiraten, um dann Witwe zu werden. Ich hätte das alles auch so haben können ...«
Sie brach ab, und wieder überwältigte sie der Gedanke an ihren Verlust — und das Bedürfnis, auf ihn einzuschlagen. Sie gab dem Bedürfnis nach.
Diesmal jedoch fing er ihre Fäuste auf. »Genug!«
»Niemals!« schrie sie. »Ich kann Euch niemals genug weh tun für das, was Ihr getan habt. Und sobald ich ein Gewehr in die Finger bekomme, werde ich Euch erschießen. Verdammter Hurensohn!«
Zu ihrer unbändigen Empörung lächelte er darüber nur. »Ihr werdet bei uns bleiben müssen, nicht wahr, um auf eine solche Gelegenheit zu warten?« Dann hob er sie hoch und trug sie zum letzten Mal aus dem Harem heraus.
Sie wehrte sich, bis sie keine Kraft mehr dazu hatte.
Kapitel 24
T anyas zweite Dampferfahrt war lange nicht so angenehm, wie ihre erste gewesen wäre. Ihre Kabine war weder so groß noch so hübsch eingerichtet, und außerdem durfte sie sie nicht verlassen. Und ob sie gezwungen gewesen wäre, diese andere Kabine auf der Lorelei mit Stefan zu teilen, wusste sie nicht und fragte auch nicht danach. Aber dass sie diese hier mit ihm teilen musste , war für sie kaum von Bedeutung.
Sie schlief in dem Bett, er schlief auf einer Matte auf dem Fußboden. Sie weigerte sich, mit ihm zu reden, weigerte sich, ihm zu antworten, weigerte sich, ihn auch nur anzusehen. Sie ignorierte ihn vollständig, als sei er nur ein zusätzlicher Gegenstand in der Kabine. Das Bemerkenswerte daran war, dass er sie gewähren ließ.
Die meiste Zeit hatte sie die Kabine für sich allein, und da sie auch dann nicht an irgendeiner Unterhaltung teilnahm, wenn sich die Gelegenheit dazu bot, hatte sie kaum etwas anderes zu tun, als nachzudenken. Es war
Weitere Kostenlose Bücher