Geheimnis um ein Haus im Walde
geradezu, daß es dazu käme. Es würde ihm guttun, jemand anzuschnauzen und seinem Ärger darüber Luft zu machen, daß der kleine Köter ihn im Beisein seines Neffen aus dem Hillmannschen Garten gejagt hatte.
Er schloß die Augen und gab einen kleinen Schnarcher von sich. Sofort stand Ern auf und ging leise hinaus. In der Diele blieb er einen Augenblick stehen und sah sich um. Der Onkel schnarchte noch immer; sein Mund stand halboffen.
Beruhigt schlüpfte Ern in das Arbeitszimmer, zog die Schreibtischschublade auf und legte das Notizbuch hinein. Doch bevor er die Schublade wieder zuschieben konnte, hörte er eine wütende Stimme hinter sich.
„Ha! Das ist es also! Du – mein leiblicher Neffe – schnüffelst in meinen Papieren herum. Das ist doch die Höhe!”
Ern fühlte einen schmerzhaften Schlag auf seiner Wange und hob abwehrend die Hand. „Aber Onkel! Ich wollte doch gar nicht schnüffeln, ganz bestimmt nicht!”
„Was suchst du dann in meinem Schreibtisch?” wollte Herr Grimm wissen.
Ern schwieg. Er wollte nicht eingestehen, daß er das Notizbuch entwendet hatte, konnte also auch nicht sagen, daß er es zurückgelegt hatte. Da er nicht antwortete, gab sein Onkel ihm eine zweite Ohrfeige. „Nächstesmal leg ich dich übers Knie und geb dir eine gehörige Tracht Prügel!” drohte er. „Warum spionierst du hier herum? Hat der dicke Bengel dir gesagt, du sollst in meinen Papieren nachsehen, was für Fälle ich bearbeite? Hat er dich beauftragt, ihm meine Indizien zu verraten?”
„Nein, Onkel, nein!” beteuerte Ern ängstlich. „So etwas würde ich niemals tun, und wenn er mich noch so sehr darum bäte. Außerdem weiß er von dem Geheimnis. Er hat es mir selber erzählt.”
Herr Grimm spitzte die Ohren. Wie? Dicki hatte ein Geheimnis entdeckt? Das war ja zum Tollwerden! Dieser Bengel konnte einen rasend machen.
„Hör mal zu, Ern!” sagte er streng. „Es ist deine Pflicht, mir alles zu melden, was du von diesem Geheimnis erfährst. Verstanden?”
Ern hielt die Hand an seine brennende Backe. Er wollte Dicki, den er so sehr bewunderte, nicht gern verraten, befürchtete aber, daß sein Onkel ihn verprügeln würde, wenn er ihm nichts erzählte.
„Heraus mit der Sprache!” schrie der Polizist, als Ern nicht sofort antwortete. „Es ist deine Pflicht, der Polizei von dem Geheimnis zu berichten.”
„Ach – es – sind Blinklichter – auf dem Mühlenhügel gesehen worden”, stammelte Ern. „Das ist alles, was ich weiß. Und ich glaube nicht, daß Dicki mehr weiß. Er hat mir ein Geheimnisbuch geschenkt. Hier ist es. Du kannst selber sehen, daß kaum etwas darin steht.”
Stirnrunzelnd las Herr Grimm die Überschriften. Dabei gingen ihm allerlei Gedanken durch den Kopf. Er konnte sich das Notizbuch jederzeit von Ern zeigen lassen. Und falls Ern sich weigerte, es ihm zu geben – nun, dann las er es eben, wenn Ern schlief. Es lag schließlich im Interesse der Polizei, daß er sich über geheimnisvolle Fälle in seinem Bezirk orientierte.
Er gab Ern das Buch zurück. „Du weißt jetzt, daß ich eine harte Hand habe, und wirst wohl keine Lust verspüren, sie noch einmal zu fühlen. Ich befehle dir, mir alles zu melden, was du von den anderen Kindern erfährst.”
„Ja, Onkel”, versprach Ern, war jedoch durchaus nicht gewillt, sein Versprechen zu halten. Vorsichtig zog er sich zur Tür zurück. „Aber vorläufig kennen die Kinder keine Einzelheiten. Wir wollten gerade Pläne machen, als du dazwischenkamst.”
„Ein Glück, daß ich dazwischenkam! Setz dich jetzt in die Küche und mach ein paar Schularbeiten. Es ist Zeit, daß du deinen Verstand ein wenig schulst. Ich dulde es nicht, daß du dich immer nur herumtreibst.”
Ern setzte sich gehorsam an den Tisch in der Küche und nahm sein Mathematikbuch vor. Er hatte ein schlechtes Schulzeugnis bekommen und sollte in den Ferien einiges nachholen. Aber seine Gedanken waren nicht bei den Aufgaben, sondern bei den Spürnasen. Er dachte an das große Geheimnis, die Blinklichter auf dem Mühlenhügel, die Kindesentführer und die Einbrecher. Alle Wetter! Das waren aufregende Dinge.
Ern geriet in große Unruhe. Wenn sein Onkel ihn nicht ausgehen ließ, konnte er nicht mit den Kindern sprechen. Womöglich gingen sie ohne ihn zum Mühlenhügel, um die Blinklichter zu beobachten! Der Gedanke war ihm unerträglich. Den ganzen Nachmittag mußte er zu Hause bleiben. Da er nicht wußte, was er anfangen sollte, ging er früh zu Bett. Er
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