Geheimnis um ein Haus im Walde
träumte von Tigern und Krokodilen; jemand entführte seinen Onkel, und Dicki sagte unzählige Verse auf. Am nächsten Morgen grübelte er darüber nach, wie er es anstellen sollte, mit den Spürnasen zu sprechen.
Aber der Onkel durchkreuzte seine Pläne. „Du wirst heute meine Akten saubermachen”, sagte er. „Nimm sie aus dem Regal heraus, staube sie gründlich ab und stell sie dann ordentlich wieder zurück.”
Ern war den ganzen Vormittag mit dieser Arbeit beschäftigt. Sein Onkel ging fort, und er hoffte, eine der Spürnasen würde vorbeikommen. Aber niemand ließ sich sehen. Nach dem Mittagessen machte Herr Grimm es sich wie gewöhnlich in seinem Sessel bequem, um ein Schläfchen zu halten. Als er sah, wie niedergedrückt Ern aussah, war er sehr zufrieden. „Er wird sich hüten, noch einmal bei mir herumzuschnüffeln”, dachte er bei sich, schloß die Augen und nickte ein. Aber bald wurde er durch lautes Klingeln der Türglocke aufgeschreckt. Er sprang aus seinem Sessel.
„Soll ich aufmachen?” fragte Ern ängstlich.
Sein Onkel antwortete nichts, sondern ging selber hinaus; im Gehen knöpfte er sich den Uniformrock zu. Das Klingeln hörte sich dienstlich an. Vielleicht war es der Inspektor persönlich. Leute aus dem Dorf würden es nicht wagen, über Mittag so laut an der Tür des Polizisten zu läuten.
Draußen stand eine dicke Frau, die in ein rotes Tuch gehüllt war. „Ich komme mich beschweren”, begann sie mit schriller Stimme. „Es ist nicht zu glauben, was ich alles von meiner Nachbarin erdulden muß. Sie ist das gemeinste Frauenzimmer, das ich kenne. Sie wirft ihren Abfall in meinen Garten und verbrennt ihr Reisig immer gerade dann, wenn der Wind den Rauch zu mir rüberweht.”
„Moment mal!” unterbrach Herr Grimm sie ärgerlich.
„Wie heißen Sie, und wo …”
Aber die Alte ließ ihn nicht zu Wort kommen. „Gestern hat sie ,Bestie’ zu mir gesagt – so wahr ich hier stehe! Ich lasse mir das nicht länger gefallen. Letzte Woche hat sie ihren Mülleimer …”
„Reichen Sie Ihre Beschwerde schriftlich ein!” warf Herr Grimm hastig dazwischen. „Ich habe heute keine Zeit.”
Damit machte er die Tür zu, ging in die Küche zurück und ließ sich in seinen Sessel fallen.
Aber kaum waren zwei Minuten vergangen, so ertönte schon wieder langanhaltendes Klingeln. Herr Grimm rannte wütend zur Haustür und riß sie auf. Noch immer stand die Frau mit dem roten Tuch davor.
„Ich habe noch was vergessen”, zeterte sie. „Als ich letzte Woche Wäsche gehängt hatte, hat das Weib einen Eimer mit schmutzigem Wasser darüber gegossen, so daß ich alles noch einmal waschen mußte. Und …”
„Ich habe Ihnen doch gesagt, Sie sollen eine schriftliche Beschwerde einreichen!” brüllte Herr Grimm. Er warf die Tür zu und stampfte wütend in die Küche zurück.
Aber kaum hatte er sich hingesetzt, so klingelte es schon wieder. „Geh aufmachen, Ern”, sagte er matt. „Es ist bestimmt wieder die Alte. Sag ihr, was du willst.”
Ern ging ein wenig ängstlich hinaus und öffnete die Tür. Ein Wortschwall ergoß sich über ihn. „Ach, du bist’s diesmal. Sag deinem Onkel, daß ich gar nicht schreiben kann. Wie soll ich also eine schriftliche Beschwerde machen? Frag ihn das! Geh hinein und frag ihn.”
Aber plötzlich gab die Frau Ern einen kleinen Rippenstoß und flüsterte: „Ern! Nimm dies hier! Sag jetzt zu mir, daß ich mich fortscheren soll. Rasch!”
Ern riß den Mund auf. Das war ja Dickis Stimme! Er hatte sich als Frau verkleidet. Wie wundervoll! Als Dicki ihm einen zweiten Rippenstoß versetzte, fand er endlich die Sprache wieder.
„Scheren Sie sich fort!” schrie er. „Wie können Sie es wagen, meinen Onkel dauernd zu stören! Scheren Sie sich fort!” Krachend warf er die Türe zu.
Dann überflog er den Zettel, den Dicki ihm zugesteckt hatte. „Heute um Mitternacht! Beobachte die Lichter auf dem Mühlenhügel! Versteck dich in dem Graben neben der Mühle. Erwarten morgen Bericht.”
Ern stopfte den Zettel erregt in seine Tasche. Jetzt fing es an! Er würde ein Geheimnis aufklären. Seinem Onkel würde er kein Wort davon verraten. Dieser Dicki! Sich als Frau zu verkleiden und den Polizisten herauszuklingeln! Grinsend ging Ern in die Küche zurück.
„Bist du sie los geworden?” fragte sein Onkel. „Hoffentlich kommt sie nicht noch einmal wieder!”
Nein, die Frau mit dem roten Tuch kam nicht wieder. Sie ging in Dickis Schuppen und schlüpfte aus ihren
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