Geheimnis um ein Haus im Walde
Die Aussicht – von dort oben – ist wunderschön.”
Herr Grimm ließ sich in seinen Sessel fallen. „Hör mal zu, mein Junge! Du hast etwas mit diesen Kindern vor. Versuch nicht zu leugnen, ich weiß es. Aber wir beide, du und ich, müssen zusammenhalten. Wir sind schließlich Onkel und Neffe. Im Interesse des Gesetzes mußt du mir alles erzählen, was vor sich geht.”
„Was vor sich geht?” Ängstlich legte Ern die Hand auf die Tasche mit den Indizien. Er durfte dem Onkel nichts davon verraten, sondern mußte sie den Spürnasen bringen.
„Du weißt recht gut, was ich damit meine”, erwiderte der Onkel, während er sich ächzend die Stiefel auszog.
„Hast du mir nicht selber erzählt, daß auf dem Mühlenhügel Blinklichter gesehen worden sind?”
„Ja. Aber was soll sonst noch vor sich gehen?”
Herr Grimm begann die Geduld zu verlieren. Er stand auf und ging in Strümpfen auf Ern zu, der wie erstarrt auf seinem Stuhl sitzenblieb. „Bring mich nicht in Wut!” drohte er. „Du weißt, was dann passiert.”
„Ja, Onkel. Bitte schlage mich nicht wieder.”
„Ich hatte doch mal irgendwo einen Rohrstock.” Herr Grimm ging zu einem Schrank und kramte darin herum. Ern begann zu weinen, denn er wußte, daß er seine Freunde verraten würde. Er schämte sich entsetzlich, konnte aber nicht anders. Er war feige. Armer Ern! Als er sah, daß sein Onkel einen gelben Rohrstock aus dem Schrank nahm, heulte er laut auf.
„Sei still!” schrie Herr Grimm. „Dir ist ja noch gar nichts geschehen. Wenn du mit mir zusammen arbeitest, wird alles gut gehen. Hast du verstanden? Sag mir jetzt, was dieser Dietrich dir erzählt hat.”
Ern gab nach. „Es sind zwei Verbrecherbanden am Werk”, stieß er hervor. „Die eine raubt Kinder reicher Leute, um Lösegeld zu erpressen; die andere verübt Einbrüche.”
Sein Onkel starrte ihn an. „Weiter!” sagte er ungläubig.
„Was noch?”
„Und dann die Blinklichter auf dem Mühlenhügel. Allerdings habe ich sie nicht selbst gesehen.”
Aber Herr Grimm hatte die Lichter gesehen. Nachdenklich sah er seinen Neffen an. Dieser Teil der Geschichte stimmte jedenfalls; dann war der andere vielleicht auch wahr. Kindesentführer und Einbrecher! Woher wußte dieser Dietrich bloß wieder davon? Er grübelte eine Weile vor sich hin. Eins wurde ihm klar: er mußte Ern dahin bringen, ihm in Zukunft alles zu erzählen, was er erfuhr. Er beschloß, ihn nicht mehr zu bedrohen. Wenn er sein Vertrauen zu gewinnen versuchte, würde er viel mehr erreichen. Wohlwollend klopfte er Ern auf die Schulter und gab ihm sein großes Taschentuch, damit er sich die Tränen abwischen konnte.
Ern sah überrascht und mißtrauisch auf. Was hatte das nun wieder zu bedeuten?
„Du hast recht daran getan, mir alles zu erzählen”, sagte sein Onkel freundlich. „Wir beide müssen zusammenhalten. Dann werden wir das Geheimnis bald aufklären und großes Lob von dem Inspektor ernten. Du hast ihn doch neulich gesehen, als er hier war. Er hat zu mir gesagt, daß du ein feiner Junge bist und mir gewiß viel helfen wirst.”
Das stimmte nun keineswegs. Inspektor Jenks hatte Ern kaum angesehen. Der Junge war sehr schüchtern und unbeholfen in der Gegenwart von Fremden und machte durchaus keinen glänzenden Eindruck.
Er atmete tief auf, als sein Onkel den Stock wieder weglegte. Aber er schämte sich, daß er das Geheimnis der Kinder verraten hatte. Nun würde der Onkel die Verbrecher verhaften, und die Spürnasen hatten das Nachsehen.
„Kannst du mir nicht noch etwas von dem Fall erzählen, Ern?” fragte Herr Grimm, während er in seine großen Pantoffeln schlüpfte.
„Nein, Onkel.” Ern dachte unbehaglich an die Indizien in seiner Tasche. Nur gut, daß er nicht sein eigenes Taschentuch genommen hatte, um sich die Tränen abzuwischen, sonst hätte er sie womöglich mit herausgezogen!
Herr Grimm steckte seine Pfeife an. „Warum bist du heute nachmittag gerade zum Mühlenhügel gegangen?”
„Weil es dort so schön ist”, antwortete Ern mürrisch.
„Das habe ich doch schon einmal gesagt.”
Herr Grimm überlegte, ob er ihn ins Kreuzverhör nehmen sollte, ließ es dann aber bleiben. Damit würde er den Jungen nur störrisch machen. Wenn er schlief, wollte er sich sein Notizbuch holen und sehen, ob er etwas hineingeschrieben hatte. Er nahm die Zeitung zur Hand und lehnte sich in seinen Sessel zurück. Ern beobachtete ihn erleichtert. Ob er wohl noch zu den Spürnasen gehen konnte? Es war schon
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