Geheimnis um ein Haus im Walde
einen Bären aufgebunden hat, werde ich …”
Ein fürchterliches Kreischen über seinem Kopf schreckte den Polizisten aus seinen Rachegedanken. Seine Haare sträubten sich. Was war das? Es hörte sich an, als schrie jemand vor Schmerz oder Entsetzen. Nun strich ein kühler Luftzug an seinem Gesicht vorbei; wieder ertönte das schauerliche Kreischen. Das war zuviel für Herrn Grimm. Er wandte sich um und floh.
Er ahnte nicht, daß ihn das fürchterliche Kreischen einer Schleiereule in die Flucht gejagt hatte, die in der alten Mühle hauste. Allerlei wilde Vorstellungen wirbelten ihm durch den Kopf, während er keuchend den Hügel hinunterstolperte, aber auf den richtigen Gedanken kam er nicht. Sein Herz schlug wie rasend; Schweißtropfen rannen ihm übers Gesicht. Er faßte den festen Entschluß, nie wieder nachts zum Mühlenhügel zu gehen und dort nach Diebesgut zu suchen.
Als er am Fuß des Hügels angekommen war, beruhigte er sich ein wenig. Er hatte sich den rechten Fuß verstaucht und hinkte völlig erschöpft heimwärts. Neidisch dachte er an Ern, der im warmen Bett lag und schlief. Dabei fiel ihm wieder das freche Gedicht ein. Dann dachte er an die Liste der Indizien und die anderen Notizen in Erns Notizbuch. Eigentlich sonderbar, daß Dicki nicht selber zum Mühlenhügel gegangen war, sondern Ern beauftragt hatte, die Beute zu holen. Vielleicht gab es überhaupt keine Beute. Diesem Dietrich war nicht zu trauen. Man konnte ihm vielmehr alles zutrauen.
Leise schlich Herr Grimm endlich ins Haus, ging in sein Schlafzimmer und knipste das Licht an. Als er sich im Spiegel erblickte, fuhr er entsetzt zurück. Wie sah er nur aus! Sein Gesicht war vollkommen verschmiert, die blaue Uniform war grau von Staub. Seufzend wusch er sich Gesicht und Hände. Dann zog er die Uniform aus und hängte sie auf den Flur, denn sie stank fürchterlich nach dem alten Gerümpel in der Mühle. Als Ern sie am nächsten Morgen dort hängen sah, war er sehr erstaunt.
Todmüde fiel Herr Grimm ins Bett und begann sofort zu schnarchen. Ern schlief fest. Er träumte, daß sein Gedicht vom Radio übertragen werde.
Leider war dies nur ein Traum. Als Ern am Morgen erwachte, erinnerten ihn seine brennenden Handflächen an die Schläge vom Abend vorher. Und der Onkel war nachts fortgegangen, um die Beute zu suchen! Ob er sie gefunden hatte?
Herr Grimm erschien ziemlich spät zum Frühstück. Er fühlte sich wie zerschlagen. Beim hellen Tageslicht kam es ihm reichlich töricht vor, daß er mitten in der Nacht zum Mühlenhügel gelaufen war. Jetzt erschien es ihm recht unwahrscheinlich, daß in der alten Mühle Diebesgut versteckt sein sollte.
Ern löffelte gerade den Rest seiner Haferflocken, als der Polizist in die Küche trat. Onkel und Neffe sahen sich finster an. Ern machte keine Miene aufzustehen.
„Bring mir meine Suppe!” knurrte Herr Grimm. „Ein bißchen dalli!”
Ern erhob sich zögernd. Er hielt seine mißhandelten Hände steif von sich gestreckt, als könnte er sie nicht richtig bewegen.
Herr Grimm schnaufte. „Es ist deine eigene Schuld, daß dir die Hände wehtun, du undankbarer Bengel!”
„Wofür sollte ich dir wohl dankbar sein?” brummte Ern.
„Immerfort schiltst und schlägst du mich. Nichts kann ich dir recht machen. Wenn ich davonlaufe, wird es dir leid tun.”
„Bah!” Geräuschvoll begann Herr Grimm, seine Suppe zu schlürfen.
„Es war gemein von dir, mich einzuschließen und zur Mühle zu gehen, um die Beute einzuheimsen. Warte nur, das erzähle ich den Kindern!”
„Wenn du ihnen ein einziges Wort davon erzählst, werde ich dir zeigen, wozu der Rohrstock außerdem noch zu verwenden ist!” drohte sein Onkel.
„Ich werde davonlaufen!” schluchzte Ern. „Ich gehe zur See! Es wird dir noch einmal leid tun, daß du mich so schlecht behandelt hast.”
„Bah!” Herr Grimm schnitt sich eine Scheibe Brot ab.
„Davonlaufen! Dazu bist du viel zu feige.”
Der Rest des Frühstücks wurde schweigend verzehrt.
„Räum den Tisch ab!” sagte Herr Grimm schließlich.
„Wenn du abgewaschen hast, holst du dir den Topf mit grüner Farbe aus dem Schuppen und streichst den Zaun. Ich habe außerhalb zu tun. Daß du mir nicht zu den Kindern läufst!”
Ern erwiderte nichts und machte sich mürrisch an die Arbeit. Sein Onkel, der im Morgenrock gefrühstückt hatte, zog einen Regenmantel an und trug die Uniform in den Garten, um sie auszubürsten. Höchst verwundert sah Frau Mierau die dichten
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